Im Rahmen des Forschungsprojektes »Geothermale Papiertrocknung« wurde erfolgreich überprüft, wie Erdwärme am Standort des Papierwerks Kabel technisch und wirtschaftlich sinnvoll in die Papiertrocknung einzubinden ist und importierte, fossile Energieträger wie Erdgas ersetzen kann. Die Projektpartner lieferten relevante Erkenntnisse als Basis zur weiteren Entwicklung des industriellen Einsatzes erneuerbarer, tiefengeothermaler Wärme.
Innerhalb des Teilvorhabens Integration in die Prozesse der Papierindustrie definierte Kabel Premium Pulp & Paper Rahmenbedingungen und Anforderungen aus Anwender- und Industriesicht. Im Fokus: die fortlaufende Synchronisation der Rahmenbedingungen hinsichtlich der energetischen und produktionstechnischen Prozesse sowie die Betrachtung der räumlichen Gegebenheiten auf dem Werksgelände.
Innerhalb des Teilvorhabens Geothermische Erkundung und Erschließungskonzept wurde durch das Fraunhofer IEG die geologische Formation des devonischen Massenkalkes und dessen Nutzung als hydrothermales Reservoir untersucht. Die Ergebnisse der durchgeführten 2D‐seismischen Messungen zeigen Hinweise, dass der Massenkalk im Bereich des Betriebsgeländes des Papierwerkes in für die geothermische Prozesswärmenutzung geeigneten Tiefen von 2,6 bis 3,6 km vorliegt. Im Rahmen sowohl einer ersten flachen Erkundungsbohrung im nahegelegenen Steinbruch Steltenberg als auch von Laboruntersuchungen an Massenkalkproben konnten wichtige Daten zu den Reservoireigenschaften ermittelt werden. Insbesondere konnte eine starke (hydrothermale) Dolomitisieriung durch die Lage im Bereich des Großholthausener Sprungs und der Ennepe-Überschiebung nachgewiesen werden. Auf Grundlage der ermittelten Reservoirparameter wurden analytische und numerische thermo‐hydraulisch‐mechanische Modellierungen hinsichtlich der möglichen thermischen Entzugsleistungen und des geomechanischen Verhaltens durchgeführt. Für die weitere untertägige Exploration am Standort wurde auf Grundlage der in den o.g. Untersuchungen gewonnenen Strukturdaten ein geologisches Vorprofil erstellt sowie ein Bohrkonzept für eine erste tiefe Erkundungsbohrung entwickelt.
Innerhalb des Teilvorhabens Verfahrensentwicklung zur Prozessdampferzeugung konnte Fraunhofer UMSICHT nachweisen, dass sich die Tiefengeothermie als grundlastfähige, erneuerbare Energie in hohem Maße für die industrielle Prozesswärme- und Prozessdampfbereitstellung eignet. Für die Aufwertung tiefengeothermaler Wärme zu industriell nutzbarem Prozessdampf konnte eine große Bandbreite an möglichen Verfahrensrouten entwickelt und identifiziert werden. Die grundsätzliche technische Realisierbarkeit einer Nutzung in der gesamten Papierindustrie (Prozessdampf mit 100–240 °C) konnte für die betrachtete Bandbreite an in Deutschland erwartbaren Reservoirtemperaturen (90–180 °C) nachgewiesen werden. Die Vielzahl an möglichen Verfahrensrouten erfordert dabei eine für den jeweiligen Anwendungsfall individuell durchzuführende Bewertung und Auswahl. Zu diesem Zweck wurde im Rahmen des Vorhabens eine kennzahlbasierte Bewertungsmethodik entwickelt und in die genutzten Simulationsmodelle integriert.
Die erarbeiteten Ergebnisse und gewonnenen Erkenntnisse des Vorhabens lassen sich auf andere Standorte der Papierindustrie übertragen und durch Weiterentwicklung der Modelle und Methoden sowohl auf andere Branchen als auch andere Wärmequellen adaptieren. Mit der räumlichen Nähe von aufgeschlossenem, für geowissenschaftliche Untersuchungen zugänglichem Massenkalk im Steinbruch Steltenberg in Hagen und dem nur ca. 9 km nördlich vom Aufschluss gelegenen Standort des KPPP‐Papierwerkes besteht in der Region Hagen eine derzeit einzigartige Konstellation für eine risikoarme Erkundung der Reservoirformation des Massenkalks in NRW. Das Konzept zur Nutzung der charakteristischen Sprungtektonik und deren Störungssysteme im Bereich des devonischen Massenkalks kann nach erfolgreicher Erkundung im Raum Hagen auf das Gebiet Rhein‐Ruhr angewandt, übertragen und weiter erkundet werden. Die (Weiter-)Entwicklung und Optimierung vielversprechender Verfahrensrouten und deren technologischen Teilkomponenten und -systemen zur Aufwertung tiefengeothermaler Wärme zu industriell nutzbarer Prozesswärme adressiert ein breites Anwendungsfeld und sollte daher weiter vorangetrieben werden.