»Kabel ZERO«: Kann ein Maximum der zur Papiertrocknung benötigten Wärme aus Tiefengeothermie gewonnen werden?
Die Papierherstellung ist in Deutschland eine der energieintensivsten Branchen. Seit knapp 125 Jahren produziert die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH am Standort in Hagen-Kabel grafisches Feinpapier. Die enormen Energie- und Wärmemengen für die Trocknung des Papiers – rund 550.000 MWh Wärme jährlich – werden heute noch zu einem großen Teil über fossile Energieträger bereitgestellt. Die Lösung: erneuerbare Energien. Zukünftig soll ein Maximum der benötigten Wärme aus Tiefengeothermie gewonnen werden.
Unter dem Titel »Kabel ZERO« möchte sich das Hagener Unternehmen Kabel Premium Pulp & Paper GmbH für die Zukunft neu ausrichten und den Einsatz erneuerbarer Energien in den Herstellungsprozess ausbauen. Als ein zentrales Anliegen hat Kabel Premium Pulp & Paper zusammen mit der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG aus Bochum und dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT aus Oberhausen ein Projekt initiiert, das die Möglichkeiten der Erdwärmenutzung in Hagen untersuchen soll: »Geothermale Papiertrocknung – Entwicklung einer Dampferzeugung zur Papiertrocknung auf Basis tiefengeothermaler Wärme in Hagen« . Unterstützt werden die Projektpartner dabei von der EnergieAgentur.NRW.
Mit Fördermitteln der EU und des Landes NRW wird das Fraunhofer IEG bis Ende 2022 die Geologie des Untergrundes in 4.000 Meter Tiefe untersuchen, um abschätzen zu können, in wie weit die Nutzung der Erdwärme mit erwarteten Temperaturen von ~130 °C möglich ist. Durch ein gezieltes Untersuchungsprogramm werden die Massenkalke in der Tiefe und ihre Eigenschaften charakterisiert. Aus den Ergebnissen wird ein detailliertes Untergrundmodell entwickelt, das als Basis für ein späteres Erschließungs- und Nutzungskonzept dienen soll.
Erdwärme in die Papiertrocknung einbinden
Fraunhofer UMSICHT entwickelt dazu verfahrenstechnische Konzepte, um die Wärme, die aus der tiefen Geothermie gewonnen werden kann, in die Prozesse der Papiertrocknung einbinden zu können. Herausforderung ist dabei, dass die in Deutschland vorgefundenen Temperaturen nicht zur direkten Erzeugung von Prozessdampf mit den in der Industrie erforderlichen Parametern ausreichen. Aus diesem Grund wird ein Verfahren zur effizienten und ressourcenschonenden Aufwertung geothermaler Wärme unterschiedlicher Temperaturen zu industriell nutzbarem Dampf entwickelt.
»Wir hoffen, dass es uns gelingt, durch die Zusammenarbeit mit den Partnern von Fraunhofer ein Konzept zu entwickeln, um mittels tiefer Geothermie einen Großteil unseres Wärmebedarfes direkt am Standort erneuerbar bereitzustellen. Wenn die Umsetzung wirtschaftlich abbildbar ist, sind wir auch bereit, entsprechende Investitionen zu tätigen, so Juha Ebeling, Geschäftsführer der Kabel Premium Pulp & Paper GmbH.
Ein erfolgreiches Projekt in Hagen kann gleichzeitig auch als Blaupause für andere Standorte der Papierindustrie dienen. Die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH begleitet daher die Integration der Nutzung von tiefengeothermischen Ressourcen in der gesamten Papierindustrie.
Information der beteiligten Kommunen
Am 25. Juni 2020 haben die Projektpartner die Bürgermeister und Landräte der Kommunen Hagen, Dortmund, Herdecke und Schwerte, die Energieagentur des Landes NRW, den Geologischen Dienst des Landes NRW und die Bergbehörde der Bezirksregierung Arnsberg zu einer Informationsveranstaltung in die Papierfabrik eingeladen, um über die geplanten Projektaktivitäten zu berichten.
Innerhalb des Kooperationsprojektes sollen vorerst der Untergrund und seine Eigenschaften untersucht werden, die Errichtung einer produktiven Tiefen-Geothermieanlage ist noch nicht Bestandteil der Förderung. Die geplanten Untersuchungsmaßnahmen – vor allem die Durchführung einer 2D-Seismik und die Abteufung einer rund 300 Meter tiefen Forschungsbohrung auf dem Gelände der Papierfabrik – sind durch die Bergbehörde zu genehmigen. Basis hierfür ist das bergrechtliche Erlaubnisfeld zur Aufsuchung von Erdwärme, eine rund 25 km² große Fläche, die sich auf dem Gebiet der vier Kommunen Hagen, Dortmund, Herdecke und Schwerte befindet.
Bergrechtlich handelt es sich bei Erdwärme um einen Bodenschatz, dessen Aufsuchung und Gewinnung nach dem Bergrecht reglementiert ist. Für das Genehmigungsverfahren ist die Bezirksregierung Arnsberg als landesweite Bergbehörde zuständig.