Geothermale Papiertrocknung
Erste seismische Messkampagne für die Exploration von Geothermie seit Jahrzehnten in Nordrhein-Westfalen erfolgreich absolviert
Über 2000 Geophone, knapp 400 Anregungspunkte, zwei seismische Profillinien von zusammen über 24 Kilometern Länge und Terabyte an Daten: Die seismischen Messungen innerhalb des Forschungsprojektes »Geothermale Papiertrocknung« der Kabel Premium Pulp & Paper GmbH unter Beteiligung der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastruktur und Geothermie IEG und des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT sind erfolgreich absolviert.
In der vergangenen Woche hat die DMT Group aus Essen mit dem Fraunhofer IEG die seismischen Messungen in Hagen, Herdecke, Dortmund und Schwerte erfolgreich umgesetzt. Nach langer Genehmigungs- und Detailplanung im Vorfeld wurde die 2D-Seismik im Feld ausgeführt.
Die Anregungen durch die Vibro-Trucks erfolgten alle 50 Meter entlang der beiden Profilstrecken, wobei je Anregungspunkt acht »sweeps« durchgeführt wurden. Innerhalb von zehn Sekunden wurde die Frequenz der Anregung von 8 Hz auf 80 Hz gesteigert. Die Daten wurden entlang der Profilinien von über 2000 Geophonen aufgezeichnet und einige Terabyte an Messdaten wurden aufgenommen. Während die erste Profillinie nachts auf der Autobahn A1 vermessen werden konnte, wurde die zweite Linie an zwei Tagen entlang von öffentlichen Straßen und Waldwegen vermessen. Ziel der nun folgenden Auswertung in den kommenden Wochen sind vor allem die devonischen Massenkalke, die in Tiefen bis zu 4000 Metern vermutet werden. Die Daten werden das Verständnis über die Geologie im Raum Hagen enorm erweitern und bilden – im besten Falle – das Fundament für die Planung einer Erkundungsbohrung für tiefe Geothermie in Hagen.
Prof. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer IEG: »Das ist nicht nur ein Meilenstein für das konkrete Projekt Papierfabrik, sondern auch ein wegweisender Erfolg für die geophysikalische Exploration und die Nutzung tiefer geothermischer Ressourcen in ganz Nordrhein-Westfalen. Wir haben gezeigt, dass Vibro-Seismik auch in Metropolen wie dem Ruhrgebiet als Standardtechnologie ohne größere Beeinträchtigungen umsetzbar ist.«
Dr. Oliver Ritzmann, Projektleiter am Fraunhofer IEG: »Gerade die Dichte an Verkehr und Infrastruktur im Untersuchungsgebiet mussten wir in der Planung adressieren. Im Gespräch mit den Akteuren und Akteurinnen vor Ort konnten wir jedoch stets gute Lösungen finden, um alle Interessen zu wahren.« Insgesamt sei man auf viel Zuspruch an der nachhaltigen Energieform tiefe Geothermie und ihrer Exploration gestoßen.
Martin Machnik, Projektleiter bei Kabel Premium Pulp & Paper GmbH: »Wir haben alle hier in Hagen-Kabel auf diesen Moment lange hingearbeitet, der erste Anregungspunkt war schon etwas Besonderes. Wir hoffen, dass die Auswertung der aufgezeichneten Messdaten die bisherigen geologischen Annahmen bestätigt und wir den Weg zur Dampferzeugung auf Basis tiefengeothermaler Wärme weiterverfolgen können.«
Über das Projekt
Die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH untersucht zusammen mit der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG aus Bochum und dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT aus Oberhausen die Möglichkeiten der Erdwärmenutzung aus Tiefen von ca. 4000 Meter am Standort Hagen.
Während das Fraunhofer IEG bis Ende 2022 die Geologie des Untergrundes in 4000 Meter Tiefe untersucht, um abschätzen zu können, in wie weit die Nutzung der Erdwärme mit erwarteten Temperaturen von ~130°C überhaupt möglich ist, entwickelt Fraunhofer UMSICHT dazu verfahrenstechnische Konzepte, um die Wärme, die aus der tiefen Geothermie gewonnen werden kann, in die Prozesse der Papiertrocknung einbinden zu können.
Erst nach Abschluss der seismischen Untersuchung, also nach Messung und detaillierter Auswertung der Daten, können die Projektpartner beurteilen, ob eine Umsetzung und der anschließende Betrieb einer Geothermieanlage in Hagen angestrebt werden sollen.
Das Forschungsprojekt und die seismische Untersuchung werden mit Mitteln des Landes NRW und der Europäischen Union gefördert sowie von der EnergieAgentur.NRW unterstützt.