Weitere Untersuchungen in Hagen
Erkundungsbohrung im Steinbruch Steltenberg der Hohenlimburger Kalkwerke in Hagen-Hohenlimburg
Mehr nachhaltige und heimische Prozesswärme für die Industrie ist die Vision der Projektpartner Kabel Premium Pulp & Paper GmbH, Fraunhofer UMSICHT und Fraunhofer IEG. Das Team prüft im Rahmen des Forschungsprojektes »Geothermale Papiertrocknung«, wie Erdwärme am Standort des Papierwerks Kabel technisch und wirtschaftlich sinnvoll in die Prozesse der Papiertrocknung einzubinden ist und so importierte, fossile Energieträger wie Erdgas ersetzt. Eine Erkundungsbohrung im Hohenlimburger Steinbruch Steltenberg soll neue Erkenntnisse über die Gesteine im Untergrund und deren Eignung zur Nutzung der tiefen Geothermie liefern.
Nach den seismischen Messungen vor einem Jahr wird der Hagener Untergrund nun erstmals mit einer Bohrung erkundet. In den kommenden Wochen teufen die Bohrmeister ein rund 350 Meter tiefes Loch mit 184 Millimetern Durchmesser ab und gewinnen Gesteinsproben und Messdaten aus dem sogenannten Massenkalk, einer rund 400 Millionen Jahre alten Kalksteinschicht, die schräg unter dem Ruhrgebiet verläuft. Die institutseigene mobile Bohranlage des Fraunhofer IEG setzt die Bohrung in der sechsten Sohle des Steinbruches Steltenberg der Hohenlimburger Kalkwerke an und wird voraussichtlich rund einen Monat arbeiten.
Aus den Daten hoffen die Verantwortlichen konkretere Aussagen über die Eignung des Massenkalkes in Hagen als Lagerstätte für heißes Thermalwasser und damit für Geothermie in 4000 Meter ziehen zu können. Da diese Gesteinsschichten im Untergrund nicht parallel zur Oberfläche verlaufen, sondern in einem Winkel von mindestens 35° einfallen, trifft man die geologisch gleichen Gesteinsschichten in unterschiedlichen Tiefen an.
Während der Bohrung können Gesteinsproben des Untergrundes gewonnen werden, die anschließend für Untersuchungen im Labor genutzt werden. Die ablagerungsbedingten Eigenschaften des Gesteins – die sogenannte Fazies – sowie mineralogische Zusammensetzungen werden so detailliert beschrieben. In dem Bohrloch selbst kommen dann geophysikalische Messmethoden zum Einsatz, um tiefenaufgelöst verschiedene mechanische und physikalische Parameter zu erfassen. Wichtigste Untersuchung vor Ort werden außerdem verschiedene Pump- und Fördertests sein, mit deren Hilfe die hydraulische Durchlässigkeit des Untergrundes bestimmt wird. Wieviel Wasser kann man aus dem Untergrund fördern bzw. wie viel Wasser kann der Untergrund wieder aufnehmen? Diese Parameter sind für die angedachte geothermische Nutzung deshalb besonders wichtig, weil das natürlich vorkommende Tiefenwasser das Medium ist, welches die geothermische Wärme aus der Tiefe nach übertage befördert.
Die Projektpartner erhoffen sich durch die umfangreichen in-situ Untersuchungen bessere Aussagen darüber treffen zu können, wie ergiebig das geothermische Reservoir in der Tiefe ist. Die Temperatur im Untergrund und die möglichen Förderraten des heißen Wassers bestimmen die Leistungsfähigkeit einer möglichen Geothermieanlage. Diese Eingangswerte sind nicht nur für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer UMSICHT wichtig, die die Anlagentechnik zur Einbindung der Geothermie in den Papiertrocknungsprozess entwickeln, sie haben auch direkten Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit einer Nutzung.
Über das Projekt
Die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH untersucht zusammen mit der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG aus Bochum und dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT aus Oberhausen die Möglichkeiten der Erdwärmenutzung aus Tiefen von bis zu 4000 Metern am Standort Hagen.
Während das Fraunhofer IEG bis Ende 2022 die Geologie des Untergrundes untersucht, um abschätzen zu können, in wie weit die Nutzung der Erdwärme mit erwarteten Temperaturen von bis zu 150°C überhaupt möglich ist, entwickelt Fraunhofer UMSICHT dazu verfahrenstechnische Konzepte, um die Wärme, die aus der tiefen Geothermie gewonnen werden kann, in die Prozesse der Papiertrocknung einzubinden.
Die Papierherstellung ist eine der energieintensivsten Branchen in Deutschland. Knapp 40 000 Mitarbeitende der deutschen Zellstoff- und Papierindustrie erwirtschafteten 2020 in 152 Werken laut dem Verband der deutschen Papierfabriken einen Umsatz von 12,7 Mrd. Euro. Um diese Branche in Deutschland nachhaltig und zukunftssicher aufzustellen, braucht es Lösungen, um fossile Energieträger zu ersetzen. Eine solche könnte die Tiefengeothermie sein.
Das Forschungsprojekt und die Bohrung werden mit Mitteln des Landes NRW und der Europäischen Union gefördert.