Pilze als Werkstoffquelle
Interview vom 12.06.2020
Pilze können als Werkstoffe fungieren. Das Material ist natürlich und leicht. Interessante Anwendungsgebiete sind z. B. die Wärmedämmung, Verpackungen, aber auch Möbel und andere Interieur-Elemente. In dem aktuellen Projekt »FungiFacturing« forscht Fraunhofer UMSICHT Mitarbeiterin Julia Krayer an Schallabsorbern aus dem 3D-Drucker basierend auf Pilzmyzel. Diese nähren sich aus pflanzlichen Reststoffen wie z. B. Treber aus der Bierproduktion.
Wie wird aus einem Pilz überhaupt ein Werkstoff?
Julia Krayer: Wichtig dafür sind die Pilzwurzeln, die Hyphen, welche das Pilzmyzel bilden. Um diese zu einem Werkstoff zu züchten, erhalten sie zunächst einen Nährboden aus biologischen Reststoffen wie Sägemehl, Stroh oder Treber aus der Bierproduktion. Nach einiger Zeit durchziehen die Myzel-Fäden das Substrat und bilden eine feste Struktur. Dieses wiederum kann zerkleinert und in eine gewünschte Form gepresst, anschließend verhärtet oder im Ofen getrocknet werden – je nach Weiterverarbeitung.
Seit wann forschen Sie an der Herstellung von Werkstoffen auf Basis von Pilzen? Wie groß ist Ihr Team?
Julia Krayer: Mit Pilzen als Werkstoffquelle beschäftige ich mich seit circa fünf Jahren. Seit vier Jahren arbeite ich aktiv an Projekten zum diesem Thema. Das FNR-geförderte Projekt »FungiFacturing« startet im Jahr 2019 und läuft bis 2021. Unser Team besteht aktuell aus 11 Forschenden unterschiedlichster Disziplinen.
Welches Ziel verfolgen Sie mit »FungiFacturing« konkret, und gibt es schon erste Ergebnisse?
Julia Krayer: Wir wollen eine biobasierte Alternative zu konventionellen Materialien für die Herstellung von Schallabsorbern wie Polyesterschäume oder Verbundstoffe auf Mineralfaserbasis entwickeln. Dazu haben wir verschiedene Pilzarten auf ihre Anwendbarkeit für den Projektnutzen verglichen und Untersuchungen zu Substratinhalt und –zusammensetzung durchgeführt. Im Bereich des 3D-Drucks testeten wir unterschiedliche Additive zum Einsatz als Emulgator für die Druckpaste. Erste Messungen zur akustischen Bewertung des Materials wurden ebenfalls durchgeführt – von unserem Projektpartner, dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Sie übernehmen Labortests zur Schallabsorption und berechnen in Simulationen den optimalen Aufbau der Porenstruktur.
Im Prozess verzichten wir auf eine energieaufwendige Substratsterilisation durch Hitze, sodass wir weniger Energie und Ressourcen im Vergleich zur konventionellen Pilzproduktion aufwenden müssen. Das Double Porosity-Verfahren bietet außerdem die Möglichkeit, eine deutlich verbesserte Schallabsorption zu erreichen durch eine Kombination aus unterschiedlich großen Porendurchmessern im Schallabsorber.
Was steht als nächstes an?
Julia Krayer: Für den weiteren Projektverlauf planen wir Workshops mit Anwender*innen, um ihnen den Werkstoff und das Produkt nahezubringen. Gleichzeitig möchten wir das Produkt so anwender*innenfreundlich wie möglich entwickeln und die Ergebnisse der Workshops frühzeitig in die Produktentwicklung mit aufnehmen. Zielgruppen sind insbesondere Innenarchitekten*innen, Raumplaner*innen oder Händler von Akustikprodukten. Interessierte Personen können sich gerne bei uns melden. Die Workshop Termine werden in Kürze auf der Website (www.fungifacturing.de) angekündigt.