Redox-Flow-Batterien – Energiegroßspeicher der Zukunft?
Während Leistung und Speicherkapazität konventioneller Non-Flow-Batterien wie Blei-Säure- oder Lithium-Ionen-Batterien in einem festen Verhältnis zueinanderstehen, können diese bei Redox-Flow-Batterien unabhängig voneinander skaliert werden. Durch die sehr hohe kalendarische Betriebslebensdauer mit theoretisch unbegrenzter Zyklenstabilität, einer nur sehr geringen Selbstentladung und vor allem einer besonders hohen Betriebssicherheit sind Redox-Flow-Batterien prädestiniert für die zuverlässige stationäre Speicherung kleiner und großer Energiemengen. Im Gegensatz zu anderen Batterietechnologien, die vergleichbare Anwendungsgebiete adressieren, sind Redox-Flow-Batterien nicht entzündlich und können auch nicht explodieren. Ein aktueller Forschungsschwerpunkt liegt zudem auf der Entwicklung alternativer Zellchemien, so dass in Zukunft auch die Nutzung umweltneutraler Speichermedien absehbar ist. Jan Girschik, Wissenschaftler im Bereich Energie am Fraunhofer UMSICHT, erläutert Funktionen und Anwendungen.
Was sind die Hauptunterschiede zwischen Redox-Flow- und Non-Flow-Batterien wie Lithium-Ionen- oder Blei-Säure-Batterien?
Jan Girschik: Im Gegensatz zu Lithium-Ionen- und Blei-Säure-Batterien sind Redox-Flow-Batterien externe Energiespeicher. Das heißt, das eigentliche Speichermedium wird außerhalb der Energieumwandlungseinheit der Batterie gespeichert. Als Speichermedium fungieren dabei zwei flüssige Elektrolytlösungen, die in ganz simplen externen Tanks gespeichert und nur zum Laden und Entladen durch die eigentlichen Batteriezellen gepumpt werden. In den Batteriezellen durch- und überströmen die Elektrolyte dabei meist poröse Graphitvlieselektroden, an denen dann die Wandlung von elektrischer in chemische Energie beim Laden und von chemischer in elektrische Energie beim Entladen stattfindet.
Die Elektroden in Redox-Flow-Batterien haben also eine rein katalytische Wirkung, wodurch auch keine Degradation stattfindet. Und das resultiert in der theoretisch unbegrenzten Zyklenfestigkeit und hohen Betriebslebensdauer. Die Trennung von Energiewandlung und Energiespeicherung ist ein wesentlicher Vorteil von Flow-Batterien gegenüber Non-Flow-Systemen, denn dadurch können Leistung und Speicherkapazität unabhängig voneinander skaliert und auch nachträglich angepasst werden. Die Leistung kann dabei wie bei Non-Flow-Batterien durch ein Scale-up, also der Vergrößerung der aktiven Zellflächen, oder durch ein Numbering-up, mit einer größeren Menge an Batteriezellen, erhöht werden. Während ein Scale-up vor allem technologische Herausforderungen generiert wie die Dichtigkeit auch bei hohen Innendrücken, bedeutet ein Numbering-up immer auch zusätzliche elektrische und hydraulische Verluste sowie höhere Fertigungs- und Materialkosten. Um jedoch die Speicherkapazität von Flow-Batterien zu steigern, muss nur die verwendete Elektrolytmenge erhöht werden. Es können also einfach größere Behälter eingesetzt oder die bestehenden Behälter mit zusätzlichen ergänzt werden. Diese flexible Skalierbarkeit der beiden Kenngrößen ermöglicht die zielgenaue Dimensionierung der Redox-Flow-Batterie für die jeweilige Speicheraufgabe.
Welche Speicheraufgaben sehen Sie als Einsatzszenario für Redox-Flow-Batterien?
Jan Girschik: Grundsätzlich sind Redox-Flow-Batterien vor allem für stationäre Speicheraufgaben geeignet, dabei jedoch sehr flexibel einsetzbar. Das Hauptanwendungsgebiet im privaten Sektor ist die Zwischenspeicherung von Solar- und Windenergie zur Erhöhung der Eigenstromnutzung und damit des Autarkiegrades. Im gewerblichen Sektor können Redox-Flow-Batterien bei Netzbetreibern zum Beispiel zur Lastverschiebung und zum so genannten Peak Shaving eingesetzt werden, um die Stromnetze zu entlasten. Sie können zur Bereitstellung von Regelenergie und als Pufferspeicher an E-Tankstellen genutzt werden und aufgrund der sehr geringeren, fast nicht vorhandenen Selbstentladung auch als Notstromspeicher. Die Elektrolyte können nur reagieren, wenn sie sich in den Batteriezellen befinden. Wenn die Flow-Batterie nicht in Betrieb ist und die Pumpen abgeschaltet werden, findet die Selbstentladung nur noch zwischen den unbedeutend kleinen Mengen an Elektrolyt statt, die in der Energieumwandlungseinheit verbleiben. Die externen Elektrolyttanks können also theoretisch verschlossen in einen Schrank gestellt werden und mit dem gleichen Ladezustand wieder herausgeholt, wenn sie benötigt werden.
Glauben Sie, dass Redox-Flow-Batterien weltweit eingeführt werden könnten und was sind potenzielle Hindernisse?
Jan Girschik: Eine weltweite Nutzung als Komplementärtechnologie ist durchaus denkbar. Die Redox-Flow-Batterie wird bereits in vielen Ländern erforscht und erfolgreich eingesetzt. Im chinesischen Dalian entsteht zum Beispiel die weltgrößte Vanadium-Redox-Flow-Batterie mit einer Endleistung von 200 MW und einer Speicherkapazität von 800 MWh. Die Vanadium-Flow-Batterie ist dabei auch der derzeit am weitesten verbreitete Typ, denn die Vanadium-Elektrolyte weisen einen guten Potenzialbereich auf und können vor allem immer wieder regeneriert werden. Die Kritikalität und Preisentwicklung der Grundstoffe des Elektrolyten können jedoch potenzielle Hindernisse für eine breite Marktdurchdringung sein. Ebenso die derzeit höheren Beschaffungskosten der Batteriezellen samt Peripherie gegenüber anderen elektrochemischen Speichersystemen, auch weil es noch keine Massenproduktion von Redox-Flow-Batterien gibt.
Abbauen könnte man diese Hindernisse zum Beispiel mit einer höheren Ressourceneffizienz durch den Einsatz innovativer Materialien und optimierter Zelldesigns. Weiterhin könnte man die Produktion zunehmend automatisieren und Lieferketten aufbauen. Ein wesentlicher Punkt ist zudem der Einsatz alternativer, günstigerer und verfügbarer Zellchemien wie in Hybrid-Flow-Batterien oder organischen Redox-Flow-Batterien.
An welchem Forschungsthema zur Redox-Flow-Batterie arbeiten Sie derzeit?
Jan Girschik: Im Bereich Flow-Batterien beschäftigen wir uns zurzeit vor allem mit der Entwicklung von Strategien zur effizienten Strömungsführung in den Batteriezellen und -stacks. Unter den Oberbegriff Effizienz fallen dabei zum einen die Systemeffizienz und zum anderen die Ressourceneffizienz und beides bedingt einander. Wie bereits erwähnt können zur Steigerung der Leistungsfähigkeit mit einem Scale-up gegenüber dem Numbering-up Material- und Fertigungskosten reduziert werden und ebenso Effizienzeinbußen zum Beispiel durch Kurzschlussströme. Große aktive Flächen in den Batteriezellen bedeuten jedoch auch, dass die Elektrolyte über eine größere Strecke durch die porösen Elektroden gepumpt werden müssen, was mit erheblichen Druckverlusten verbunden ist – vor allem bei höher- und hochviskosen Elektrolyten. Dazu kommen Potenzialunterschiede in der Elektrode vor, da die Elektrolyte beim Austritt aus der Batteriezelle einen anderen Ladezustand haben als beim Eintritt. Um großformatige Flow-Batteriezellen nun dennoch gleichmäßig, effizient und druckverlustarm durchströmen zu können, haben wir eine Reihe von Lösungen entwickelt und patentiert, die wir derzeit in Versuchsaufbauten weiter optimieren.