»E3C soll eine Plattform für den Austausch von Innovationen im Bereich der elektrochemischen Zellen sein«
Interview vom 28. April 2020
Am 14. Mai 2020 fand das virtuelle »E3C – Electrochemical Cell Concepts Colloquium« statt. Organisator Jan Girschik hatte im Vorfeld einige Fragen rund um elektrochemische Reaktoren, ihre Anwendungsgebiete und Gemeinsamkeiten beantwortet.
Welche elektrochemischen Reaktoren gibt es und wo kommen sie zum Einsatz?
Jan Girschik: Die Anwendungsgebiete für elektrochemische Reaktoren sind breit gefächert. Sie lassen sich in unserem Kontext jedoch ganz gut in die drei Hauptgruppen Energiespeicherung, Grundstoffherstellung und Filtration unterteilen. In die Gruppe der Energiespeicherung fallen dabei auch die wohl bekanntesten Reaktoren – nämlich Batterien und wieder aufladbare Akkumulatoren. Reaktoren zur Energiespeicherung kann man grundsätzlich mit Blick auf die Lage des Speichermediums bzw. die stoffliche Abhängigkeit von Leistung und Kapazität in interne und externe Energiespeicher unterscheiden. Zu den internen Energiespeichern gehören z. B. handelsübliche Blei-Säure-Batterien oder Lithium-Ionen-Batterien, aber auch Superkondensatoren, da bei diesen die Speicherkapazität auch durch die Art und Größe der Elektroden bestimmt ist und ein festes Verhältnis von Leistung und Kapazität besteht. Bei den externen Energiespeichern ist die eigentliche Leistungseinheit zur Energiewandlung örtlich vom Speichermedium getrennt, wodurch Leistung und Kapazität unabhängig voneinander skaliert werden können. Die bekanntesten Vertreter der externen Speicher sind die verschiedenen Typen von Redox-Flow-Batterien, deren Elektroden in der Leistungseinheit eine ausschließlich katalytische Wirkung besitzen. Zum Laden und Entladen werden fluide Anolyte und Katholyte aus externen Tanks durch diese Elektroden gepumpt und die elektrische Ladung kann fließen. Zu den externen Energiespeichern gehören jedoch auch Kombinationen wie Elektrolyse- und Brennstoffzellen. Der Ladeprozess, in dem Reaktionen durch einen Stromfluss erzwungen werden, findet dabei ausschließlich in der Elektrolysezelle statt, der Entladeprozess in der galvanischen Brennstoffzelle.
Und somit sind wir auch direkt bei der zweiten Hauptgruppe, der Grundstoffherstellung, denn im Kontext der Energiespeicherung macht der Elektrolyseur nichts anderes, als Brennstoff für die Brennstoffzelle herzustellen – bekanntesterweise Wasserstoff. Mit Elektrolysezellen lassen sich viele weitere Stoffe herstellen bzw. gewinnen, so z. B. auch diverse Metalle und Halogene. Ein weiterer Vertreter für die Grundstoffherstellung sind Elektrosynthesezellen, mit denen z. B. Nitrile für die Kunststoff- oder Kautschukherstellung erzeugt werden.
In die Hauptgruppe der Filtration fallen Reaktoren wie Elektrodialysezellen oder auch CDI-Zellen zur kapazitiven Deionisation, die z. B. zur Wasseraufbereitung oder auch zur Konzentrationseinstellung von Säuren und Laugen genutzt werden können. Wie anfangs erwähnt sind die Einsatzgebiete elektrochemischer Reaktoren jedoch sehr vielfältig. So finden Elektrolysezellen z. B. auch in der Galvanotechnik und Raffination ihre Anwendung.
Was soll im Rahmen des E3C erreicht werden?
Jan Girschik: Das virtuelle »E3C – Electrochemical Cell Concepts Colloquium« am 14. Mai soll eine Plattform für den fachübergreifenden Austausch von Innovationen und wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich der elektrochemischen Zellen bieten, um Symbiosen und Entwicklungen mit potenziellem Mehrfachnutzung für die verschiedenen Reaktortypen herauszustellen. Die Technologien sollen also von ihren Entwicklungen und Neuerungen gegenseitig profitieren, um somit den Stand der Forschung insgesamt voranzubringen. Denn gerade elektrochemische Reaktoren – sei es für die Energiespeicherung, Grundstoffherstellung oder auch Wasseraufbereitung – können entscheidende Beiträge zu einer wirtschaftlich erfolgreichen, sozial gerechten und klimafreundlichen Gesellschaft leisten.
Wo liegen die Gemeinsamkeiten von elektrochemischen Zellen und inwiefern sind Charakteristika auf andere Reaktorarten übertragbar?
Jan Girschik: Die Gemeinsamkeiten der verschiedenen elektrochemischen Reaktoren lassen sich vor allem im generellen Zellaufbau finden. Eine elektrochemische Zelle besteht per Definition aus mindestens zwei Elektroden, also der Anode und Kathode, sowie einem Elektrolyten, der einen Ladungsaustausch zwischen diesen Elektroden ermöglicht. Da interne Energiespeicher nach außen hin geschlossene Systeme sind, konzentrieren sich potenzielle Übertragbarkeiten auf die Funktionskomponenten wie Membran- und Elektrodentype, sowie die Fertigungsverfahren und den generellen Aufbau, der z. B. bipolar gestaltet sein kann. Bei externen Energiespeichern und allen anderen Reaktoren, bei denen ein Stofffluss durch die Zellen erfolgt, kommt noch die Art der externen und zellinternen Fluidführung hinzu, die z. B. über Flow-Fields in den Bipolarplatten oder porösen Elektroden realisiert wird. Hierbei bewährte Designs können oftmals fast eins zu eins übertragen werden.
Wie soll es im Anschluss an das Kolloquium weitergehen?
Jan Girschik: Wir möchten das Kolloquium als regelmäßig stattfindende Veranstaltung etablieren. Ab dem nächsten Jahr auch wieder bei uns vor Ort, da der persönliche Austausch bei einer Webkonferenz leider immer etwas auf der Strecke bleibt, an Relevanz jedoch nicht zu unterschätzen ist. Für das nächste E3C wird es zudem einen »Call for papers« geben, der im September 2020 starten wird.
Welchen Beitrag kann das Fraunhofer UMSICHT zu diesem Themenkomplex leisten bzw. wo liegen aktuelle Forschungsschwerpunkte?
Jan Girschik: Da gerade die Elektrochemie am Fraunhofer UMSICHT ein sehr starkes Forschungsfeld ist und auch abteilungsübergreifend an elektrochemischen Reaktoren geforscht wird, können wir unsere Expertise sehr breit einbringen und mit entsprechendem Innovationspotenzial untermauern. So beschäftigen wir uns z. B. seit 2007 mit der Weiterentwicklung und Optimierung von Redox-Flow-Batterien, haben mehrere Patente und Patentanmeldungen in diesem Gebiet und konzentrieren uns aktuell auf die Entwicklung besonders druckverlustarmer und großformatiger Zelldesigns. Weitere Schwerpunkte betreffen derzeit die Entwicklung dichtungsfreier Stackkonzepte sowie ressourcen- und kosteneffizienter Elektroden und Bipolarplatten für Elektrolyseure und Brennstoffzellen. Geforscht wird zudem auch an bipolar aufgebauten alkalischen Non-Flow-Batterien und im Bereich der Elektrokatalyse. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung sind wir für die angewandte Erforschung neuer Herausforderungen der Elektrochemie also bestens gewappnet.