»Ohne nachhaltige Wasserstrategie keine Wasserstoffwirtschaft«
Erneuerbare Energien, Industrialisierung der Elektrolyse und Infrastruktur: Diese drei Herausforderungen stehen in der Regel im Fokus, wenn es um die Produktion von grünem – also klimaneutral hergestelltem – Wasserstoff in Deutschland geht. Völlig ausgeblendet wird hingegen das Thema Wasser – sowohl im Zusammenhang mit der Verfügbarkeit als auch mit Blick auf den Transportaufwand. Ein Fehler, ist Dr.-Ing. Ilka Gehrke überzeugt. Deshalb bereitet die Leiterin der Abteilung »Umwelt und Ressourcennutzung« am Fraunhofer UMSICHT mit »Wasser-to-X« ein Projekt vor, das genau dort ansetzt.
Wie viel Wasser wird für die klimaneutrale Produktion von Wasserstoff in Deutschland gebraucht?
Ilka Gehrke: Das Forschungszentrum Jülich rechnet damit, dass die Wasserstofferzeugung bis 2050 auf einen Wert von ca. elf Millionen Tonnen pro Jahr steigt. Damit einher geht – neben dem Import von Wasserstoff – eine zu installierende Elektrolysekapazität von 70 GW mit einem Wasserbedarf von insgesamt 67,36 Millionen m3 pro Jahr1. Das entspricht ziemlich genau dem Jahresverbrauch der Einwohner*innen von Köln und Bonn.
Und das könnte zu einem Problem werden?
Ilka Gehrke: Definitiv. Ich sehe eine gravierende Lücke bei der Folgenabschätzung der Wasserstoff basierten Speichertechnologien für die Energiewende in Bezug auf die regionale Wassersituation. Während in den sonnenreichen, nordafrikanischen Ländern mittlerweile ein gewisses Bewusstsein für die Wasserknappheit besteht, wird das Thema in Deutschland komplett ausgeklammert. Und das trotz der extrem trockenen Sommer, die regional immer wieder zu einer äußerst angespannten Wasser-Konkurrenzsituation zwischen Haushalten, Landwirtschaft und Industrie führen und mit Blick auf den Klimawandel in Zukunft wohl zunehmen werden. Übersetzt heißt das: Ohne nachhaltige Wasserstrategie keine Wasserstoffwirtschaft in Deutschland.
An dieser Stelle setzt das Projekt »Wasser-to-X« an…
Ilka Gehrke: Ganz genau. Wir wollen ein strategisch nachhaltiges Wassermanagementkonzept für die Wasserstoffwirtschaft ausgehend von Nordrhein-Westfalen für gesamt Deutschland entwickeln. Geplant sind u.a. Potenzialkarten, die Standorte bestehender und geplanter Elektrolyseure im Hinblick auf die allgemeine Wasserverfügbarkeit, den technischen und kostenmäßigen Bereitstellungsaufwand für das Prozesswasser sowie Nutzungskonkurrenzen abbilden. Zudem wollen wir Prognosemodelle auf Basis zukünftiger technologischer Trends, Energiebedarfe und des Klimawandels erstellen. Sie sollen ebenso wie die zugrundeliegenden Sach- und geografischen Daten auf einer interaktiven Plattform barrierefrei verfügbar sein.
Wo soll das Projekt angesiedelt sein? Und wann geht es los?
Ilka Gehrke: Fraunhofer UMSICHT ist Mitglied bei der Initiative IN4climate und hat bereits ein Projektteam zusammengestellt, das die notwendigen Kompetenzen vereint – von Wasser- und Energietechnik über Geografie bis zu Technology Assessment. Noch allerdings warten wir auf eine Förderung im Programmbereich progres.nrw-Innovation des NRW-Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie.
[1] Inklusive Kühlwasserbedarf und Verlusten an der Membran.