»Wir nutzen den Mechanismus von Fischkiemen für die Filtration in Waschmaschinen«
Lassen sich Fische als biologisches Vorbild für die Entwicklung von bionischen Mikroplastikfiltern in Waschmaschinen nutzen? Dieser Frage gehen Fraunhofer UMSICHT, die Universität Bonn und die Firma Hengst im Projekt »FishFlow« nach. Im Interview wirft UMSICHT-Wissenschaftlerin Dr.- Ing. Ilka Gehrke einen Blick auf den Stand des Projektes.

Waschmaschinen und Fische: Wie kommt man darauf, diese beiden Themen zu verbinden?
Ilka Gehrke: Verbindendes Element ist Mikroplastik. Die bekannte Problematik: Beim Wäschewaschen wird Mikroplastik freigesetzt und gelangt in unser Abwasser sowie in die Kläranlagen. Es besteht im Wesentlichen aus polymeren Fasern im Mikromaßstab. Daher wird zunehmend gefordert, dass Waschmaschinen mit entsprechenden Faser- oder Mikrofiltern hergestellt werden. Fische haben das gleiche Problem. In ihrem Verdauungstrakt hat man nachweisliche Mengen Mikroplastik gefunden. Vor diesem Hintergrund kam die Überlegung: Wenn Fische durch ihren Filtrationsapparat im Maul ungewollt, aber doch »so schön« Mikroplastik aus dem Wasser aufnehmen, dann müsste es doch möglich sein, diesen Mechanismus auch für die Filtration in Waschmaschinen zu nutzen.

Hinzu kommt natürlich auch unsere Projektkonstellation. Leandra Hamann von der Universität Bonn, mit der wir die Idee zum Projekt im Wesentlichen entwickelt haben, hat vor ein paar Jahren am Fraunhofer UMSICHT ihre Masterarbeit zu sogenannten Suspensionsfressern geschrieben. Das sind Fische und andere Tiere, die Wasser Nahrungsmittel wie Plankton aufnehmen. Diese Arbeit haben wir als grundlegenden Ansatz genommen und ein interdisziplinäres Team gebildet – mit Kolleg*innen der Uni Bonn aus der Biologie und uns aus dem Bereich der Verfahrenstechnik.
Warum eignen sich das Kiemenmodell von Fischen am besten als biologisches Vorbild für Waschmaschinenfilter? Wo liegt der Unterschied zu anderen Suspensionsfressern?
Ilka Gehrke: Es gibt natürlich verschiedene Arten von Suspensionsfressern. Zum Beispiel solche, die eine Art Schleimbeutel aus der Suspension erzeugen und diesen dann verdauen. Auch das ist spannend. Aber wenn man überlegt, was sich am einfachsten technisch umsetzen lässt, dann landet man ganz schnell bei den Fischen und ihrem Kiemenreusenapparat. Kiemenbögen und -rechen bilden eine Gerüststruktur, die man mittels eines 3D-Druckers herstellen und in ähnlicher Art und Weise technisch umsetzen kann. Genau das machen wir im Moment.
Wie läuft die Filtration bei den Suspensionsfressern ab, die im bionischen Waschmaschinenfilter nachempfunden werden soll?
Ilka Gehrke: Der Kiemenreusenapparat von filtrierenden Fischen ist so aufgebaut, dass die zu filtrierenden Stoffe – die Suspension – wie durch eine Art trichterförmigen Filter, der immer feiner wird, in die Fische gelangt. Die Partikel verbleiben nicht im Filter, sondern rutschen auf dem Filtermedium entlang, bis sie vom Fisch verschluckt und verdaut werden. Dadurch gibt es eine kontinuierliche Reinigung des Filters. Dieser Prozess ähnelt der bereits bekannten Querstromfiltration, aber die Fische haben ein paar Besonderheiten, die wir untersuchen, um so unseren Filter zu verbessern. Ein großes Problem bei Waschmaschinenfiltern und Waschmaschinen generell ist die Verstopfung. In einem Trockner sammeln sich zum Beispiel Flusen an, und wenn man sich anschaut wie ein Wasser aussieht, das aus der Waschmaschine kommt, erkennt man auch da allen möglichen Dreck, der zusätzlich mit dem Restwaschmittel vermischt ist, wodurch ein Filter sehr schnell verstopft.
Was muss bei der Übertragung der Filter-Mechanismen aus der Natur in neue Technologien beachtet werden?
Ilka Gehrke: Man muss den Mechanismus natürlich zuerst verstehen und danach sehr stark abstrahieren. Letztendlich sind sehr viele Vorarbeiten notwendig. Insgesamt 45 Fische verschiedener Arten wurden vorher an der Uni Bonn seziert – zum Beispiel Makrelen und Heringe. Dann werden diese unter Mikroskopen angeschaut, und es werden um die 20 Parameter ausgemessen, wie zum Beispiel wie die Abstände der Kiemenrechen. Pro Fisch sind etwa 800 Messwerte entstanden. Anschließend wird eine Auswahl an Parametern auf Modelle übertragen und an die Dimensionen der Waschmaschine angepasst. Ein bionisches Vorgehen ist immer zeitaufwändig, und man muss überprüfen, ob die Mechanismen abstrahierbar und skalierbar sind. Aber wir sind sicher, dass es sich lohnt und wir haben schon wichtige Zwischenziele erreicht.
Hat sich aus den Ergebnissen abgezeichnet, dass sich bionische Filter potenziell auch in anderen Technologien als der Waschmaschine einsetzen lassen?
Ilka Gehrke: Vom Prinzip her lassen die sich in jedem Fall in anderen Technologien einsetzen. Wir sind im Moment dabei, die ersten Versuche an einer etwas größeren Anlage zu machen. Dabei werden dem Wasser z.B. Fasern, mit denen man T-Shirts beflockt, zugesetzt. Sie sind den Fasern aus der Waschmaschine ähnlich und zusätzlich definiert. Dieser Versuch zeigt, dass der Mechanismus funktioniert. Das Wasser läuft rein, die Fasern werden abgeschieden und wandern im trichterförmigen System nach unten. Das könnte man vom Mechanismus her natürlich auch für andere Filtrationen im industriellen Maßstab verwenden.
Unser Problem mit Waschmaschinen ist gerade, dass wir nicht genau wissen, wie wir mit Wasser umgehen, das stark schäumt. Unsere aktuelle Aufgabe ist es daher, zu erforschen, wie wir mit den dabei entstehenden Lufteinträgen umgehen. Für Anwendungen, bei denen keine Lufteinträge vorkommen, bei denen keine Tenside benötigt werden, wäre die Umsetzung noch einfacher.
Wo steht ihr generell gerade im Projekt?
Ilka Gehrke: Das Projekt ist auf ein Jahr ausgelegt. Die Forscher*innen von der Uni Bonn untersuchen grundlegend das Filterprinzip in Modellen und Experimenten, bei UMSICHT wollen wir den bionischen Filter mittels Simulationen und Versuchen an einem Waschmaschinenteststand zur Anwendung bringen. Ziel ist es, einen Prototyp zu entwickeln, was uns auch definitiv gelingen wird. Denn ein Filtermodul hat die Uni Bonn schon hergestellt. Man kann also sagen, dass bereits viele Fische seziert und vermessen wurden und auch Versuchsstände aufgebaut wurden. In diesen Versuchsständen wird untersucht, wie sich farbige Partikel bewegen. Diese Aufnahmen werden anschließend für einen Abgleich mit den Modellierungen herangezogen. Wir schauen auch, wie die Partikel durch den Filter fließen. Dieses Wissen wollen wir nutzen, um später Filter entsprechend optimieren zu können, ohne dass endlos viele ausprobiert werden müssen. Momentan werden die ersten Filtermodule in dem Teststand bei unserem Partner in der Industrie eingesetzt. So wollen wir am Ende den besten mit mindestens 80 Prozent Rückhalt bestimmen. Die Versuche bei unserem Partner werden Anfang Mai abgeschlossen, und dann kommt das Modul zu uns. An unserem Waschmaschinen-Teststand geht das Projekt dann weiter, und der Prototyp wird an eine Waschmaschine angeschlossen und realem Waschwasser ausgesetzt.
Gibt es ein bestimmtes Waschmittel, welches dann verwendet wird?
Ilka Gehrke: Man nimmt eigentlich immer Flüssigwaschmittel. Denn in Pulverwaschmittel sind Zeolithe, welche etwa die gleiche Größe haben wie die Mikrofasern und den Filter sofort verstopfen würden.
Welchen Stellenwert hat der Nachhaltigkeitsgedanke in diesem Projekt?
Ilka Gehrke: Der hat einen sehr hohen Stellenwert. Denn es macht keinen Sinn, ein System zu entwickeln und in eine Waschmaschine einzubauen, das eventuell sogar mehr Mikroplastik in seiner Herstellung produziert, als es zurückhalten kann. Das schauen wir uns tatsächlich vorher an und können ziemlich genau sagen, wie viel Mikroplastik bei der Herstellung der Bauteile anfällt.
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