In Deutschland wurden im Jahr 2020 2,78 Mio. Autos stillgelegt. Nur 400 000 davon sind allerdings anschließend der Verwertung zugeführt worden.[1] Dabei gewinnt gerade die Verwertung im Hinblick auf Verkehrswende, Elektrifizierung der Antriebe sowie Ressourceneffizienz und Ressourcenschonung immer mehr an Bedeutung. Insbesondere Batterien, die aus wichtigen und seltenen Ressourcen bestehen, müssen in Zukunft noch vor Ablauf eines Autolebenszyklus‘ ausgetauscht werden. Allerdings ist ihre Demontage sehr aufwendig und mit starken Sicherheitsauflagen verbunden. Daher führen Betriebe in der Praxis Altfahrzeuge oder defekte Jungfahrzeuge eher dem Recycling zu oder exportieren sie, anstatt auf Komponentenebene wiederzuverwerten. Dadurch gehen Rohstoffe und Energie, die bei der Herstellung zum Einsatz gekommen sind, zu großen Teilen verloren. Es braucht daher frühzeitig wirtschaftlich wie ökologisch tragfähige Konzepte z. B. zum Umgang mit Altbatterien.
Fraunhofer UMSICHT erforscht im Projekt »EKODA« Chancen, Hemmnisse und Potenziale bei der Umsetzung einer wertschöpfenden und umweltgerechten Kreislaufführung. Hierzu führen die Forschenden Stakeholderanalysen durch, binden aktuelle und zukünftige Akteur*innen innerhalb der Wertschöpfungskette ein, bereiten die Erkenntnisse zielgruppengerecht auf und entwickeln Konzepte für neue Geschäftsmodelle mit hoher Akzeptanz und wirtschaftlicher Attraktivität.
Die optimale Verwertungsroute
Im Projekt »EKODA« betrachten die Forschenden zwei verschiedene exemplarische Use-Cases: Traktionsbatterie von E-Autos und metallische (Blech-)Bauteile. In einem ersten Schritt erfassen sie deren Zustandsdaten (Restkapazität, Ladestatus, Ladezyklen, …), um anschließend verschiedene Szenarien zur Weiterverwendung bewerten zu können. Mögliche Szenarien, in denen Batterien weiterverwendet werden, sind beispielsweise die Weiternutzung im Automobil bei hoher Leistungsfähigkeit oder die Demontage und ggf. der Austausch einzelner defekter Module oder Zellen. Aber auch eine Applikation der gesamten Batterie, der Module oder einzelner Zellen in anderen Anwendungen (stationäre oder mobile Speicher, elektrifizierte Antriebe mit geringeren Leistungsansprüchen) ist denkbar. Metallische Bauteile, die z. B. aufgrund ihres Alters oder technischer Überholung nicht wieder verwendet werden können, lassen sich mittels Umformung oder spanender Bearbeitung zu neuen Komponenten umgestalten.Bei der Bewertung sämtlicher Wege der Wiederverwertung haben Effizienz und Werterhalt der Materialien Priorität.
Geschäftsmodelle und Stakeholderinteraktion
Neben der Bewertung von verschiedenen Nutzungsszenarien liegt ein weiterer Fokus des Projekts auf der Umsetzbarkeit in der Praxis. Fraunhofer UMSICHT untersucht Auswirkungen und Akzeptanz bei der Einführung von Kreislaufstrategien in der Automobilbranche. Dabei gilt es herauszufinden, welche Barrieren es für den Weg hin zu einer gelingenden Transformation gibt, wer die entscheidenden Wegbereiter und was die Hebel (technologisch, regulatorisch und gesellschaftlich) sind. Hierzu richten die Forschenden den Blick zum einen auf bestehende Geschäftsmodelle und eine mögliche Erschließung neuer Geschäftsfelder, zum anderen auf Akzeptanzherausforderungen für Anpassungsmaßnahmen an Produkt (Design/Bauform), Wertangebot (gebrauchte Teile) und Arbeitsweise (Anwendung von Kennwertsystemen) zur Ermöglichung von Kreislaufwirtschaftsstrategien. Ökologische und ökonomische Effekte schätzen sie mittels Simulation ab. Um das differenzierte Bild der praktischen Umsetzbarkeit zu vervollständigen, führen die Forschenden Gespräche mit verschiedenen Stakeholdern – von Zulieferern und Autoherstellern über Nutzende, Verwerter und Demontagebetriebe bis hin zu Versicherern, Verbänden und möglichen Anwendern von Teilen im Second Life.
Kreislaufgerechtes Design als Schlüssel zur Effizienz
Die bisherige Produktgestaltung legt ihren Fokus auf die Optimierung von Herstellung und Montage (Design for Manufacturing (DfM), Design for Assembly (DfA)) – also die Effizienz im Schaffen von Werten (Rohstoff zu Produkt). Für eine leichtere Werterhaltung und spätere Wiederverwendung fehlen jedoch Maßnahmen. Fraunhofer UMSICHT ermittelt Gestaltungsmuster, die die Kreislaufwirtschaft behindern, und erarbeitet alternative Designs. Diese erfüllen die Bedürfnisse alternativer Verwertungsrouten (Design for Disassembly (DfD), Design for Remanufacturing (DfRem)) sowie für Bedürfnisse von Second-Life-Anwendungen.
[1] Altfahrzeugverwertung und Fahrzeugverbleib | Umweltbundesamt