Zusammenspiel von Digitalisierung und experimenteller Arbeit
Torben Daun und Johannes Voß promovieren am Fraunhofer UMSICHT und erforschen im Projekt Carbon2Chem® die Methanolherstellung aus Hüttengasen. Dabei geht es zum einen um das Verhalten von Katalysatorsystem und Prozess bei veränderlichen Zuständen oder Gaszusammensetzungen. Zum anderen soll die gesamte dynamische Methanolsynthese digital abgebildet werden.
Bevor wir auf die konkrete Forschungsarbeit eingehen: Wofür wird Methanol verwendet?
Torben Daun: Als Endprodukt lässt sich Methanol beispielsweise in Form von Lösungsmittel oder auch als Kälteübertragungsmittel verwenden. Außerdem kann es als Energieträger bzw. Brennstoff dienen. Anstatt Diesel oder Schweröl wird Methanol bereits heute in Schiffen eingesetzt, und auch Methanol-betriebene PKW sind eine durchaus realistische Vision.
Johannes Voß: Methanol ist der einfachste Alkohol. Dadurch hat es als Rohstoff für die chemische Industrie eine sehr große Bedeutung, indem sich daraus zahlreiche weitere Zwischen- oder Endprodukte synthetisieren lassen.
Warum bedarf es neuer Herstellungswege?
Torben Daun: Die derzeitige Industrie basiert überwiegend auf fossilen Rohstoffquellen. Kohlenstoffquellen, die im Laufe von Jahrmillionen entstanden sind, werden innerhalb eines kurzen Zeitraums aufgebraucht und landen als CO2 in der Atmosphäre. Gemäß dem Motto »Keeping Carbon in the Loop« ist es das Ziel, Kohlenstoff wiederzuverwenden und nicht in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Dafür sollen neue Syntheserouten z. B. für Methanol geschaffen werden, die sich nicht auf fossile Rohstoffe als Quelle stützen. Stattdessen sollen primär unvermeidbare kohlenstoffhaltige Abfallprodukte – etwa aus Stahlwerken, der Müllverbrennung oder Zementwerken – weiterverarbeitet werden.
Mit was genau beschäftigen Sie sich am Fraunhofer UMSICHT?
Johannes Voß: Ich untersuche im Rahmen meiner Promotion die dynamische Methanolsynthese im Labor, bin also für den experimentellen Teil verantwortlich. Normalerweise bekommen Methanolanlagen eine konstante und festgelegte Frischgaszusammensetzung zugeführt. Das kann in unserem Fall – wir verwenden Abgase aus einem Hüttenwerk – nicht garantiert werden. Denn Hüttengas verändert sich, je nachdem, welcher Prozess davor geschaltet ist und wie dieser gefahren wird. Ich untersuche experimentell, wie sich das Katalysatorsystem und der Prozess bei veränderlichen Zuständen oder Gaszusammensetzungen verhalten. Was ist schädlich für den Katalysator? Was vielleicht sogar von Vorteil? Des Weiteren ist es wichtig zu erfahren, wie wir auf schwankende Bedingungen reagieren können.
Torben Daun: Das Setting meines Promotionsthemas ist sehr ähnlich: Ich beschäftige mich ebenfalls mit dem Syntheseprozess unter schwankenden Feedzusammensetzungen. Bei mir steht jedoch das Framework im Vordergrund, mit dem man die Methanolanlage vollständig digital abbilden kann.
Inwieweit ergänzt sich Ihre Forschungsarbeit?
Torben Daun: Ich knüpfe mit meiner Arbeit nahtlos an die von Johannes Voß an. Mein Ziel ist es vorherzusagen, wie sich die Anlage unter der Nutzung von Realgasen beziehungsweise unter dynamischen Zuständen verhalten wird. Über die Simulation hinausgehend, untersuche ich aber auch noch weitere Aspekte: Wie funktionieren die Regler in der Anlage? Und wie beeinflussen sie das Verhalten? Das ist etwas, was bei »üblichen« Simulationen nicht beachtet wird, wo häufig nur Momentaufnahmen berechnet werden.
In einem Stahlwerk in Duisburg wird bereits in einer Technikumsanlage mit Realgas geforscht. Wo liegt der Unterschied zu Ihrer Arbeit in Oberhausen?
Johannes Voß: Der Hauptunterschied liegt in der Tat bei den Gasen: Wir nutzen im Labor in Oberhausen Flaschengase, deren Zustände und Schwankungen bewusst variiert werden. So können wir z. B. auch extreme Zustände herbeiführen, um bestimmte Effekte zu sehen. In Duisburg hingegen kommen Realgase zum Einsatz, mit denen u. a. die Langzeitstabilität des Katalysatorsystems zur Methanolherstellung untersucht wird. Wir wollen den realen Prozess mit dem synthetischen vergleichen.
Worin liegen aktuell die größten Herausforderungen?
Johannes Voß: Die Katalysatorsysteme laufen über Jahre. Da wir jedoch nicht jeden Versuchspunkt über so eine lange Zeitspanne messen können, ist es definitiv eine Herausforderung, in einem relativ kurzen Zeitraum Langzeitvorhersagen zu treffen.
Torben Daun: Ein großes Thema ist die Abstimmung von Simulationen und Messungen. Hier diskutieren wir gerade die Abweichungen und mögliche Ursachen. Ein weiteres Thema ist, dass die Simulationen auch zeitgleich zum Anlagenbetrieb laufen sollen. Dafür braucht es eine gewisse Geschwindigkeit, die wir stetig optimieren.
Wie sehen Ihre täglichen Arbeitsabläufe aus?
Torben Daun: Ich arbeite größtenteils an meinem Rechner von zu Hause aus. Am Institut bin ich im Schnitt einmal in der Woche. Überwiegend kommen für die Simulationen die Programme COMSOL und Ansys zum Einsatz, außerdem entwickle ich kleinere Prozeduren in Python. Während umfangreicher Messkampagnen an der Demonstrationsanlage bin ich auch in die Überwachung involviert.
Johannes Voß: Anders als mein Kollege, bin ich bin fast jeden Tag vor Ort am Fraunhofer UMSICHT. Wenn die Demonstrationsanlage läuft, müssen wir rund um die Uhr dabei sein – es gibt einen klassischen Dreischichtbetrieb. Läuft die Demonstrationsanlage nicht, führt der Weg im Normalfall zuerst ins Labor, um die dortige Anlage zu überprüfen. Hat bei längeren Messreihen alles planmäßig funktioniert oder gab es Probleme? In seltenen Fällen kann es z. B. zu Druckluft- oder Gasausfällen kommen, auf die wir dann entsprechend reagieren müssen.
Was sind die nächsten Schritte?
Johannes Voß: Der Umbau meiner Anlage ist jetzt abgeschlossen. Das heißt, die Anlage läuft mit genau der Konfiguration, die ich mir vorgestellt habe. Ich werde nun den Versuchsplan abarbeiten, um die dynamischen Zustände abzubilden und anschließend die Ergebnisse auswerten.
Torben Daun: Mein großes Ziel ist auch gleichzeitig das Projektziel: Am Ende soll eine Anlage im industriellen Standard entstehen. Dabei soll sie digital abbildbar sein. Es kommen noch verschiedene Herausforderungen auf uns zu. Im Moment fahren wir die Versuche beispielsweise an einem Einzelrohrreaktor. Im industriellen Maßstab werden es ganz viele einzelne Rohre sein, die in einem Bündel von mehreren Tausend zusammengeschlossen sind.
Können Sie uns abschließend noch etwas zu den produzierten Mengen sagen?
Johannes Voß: Der Katalysatorteststand in Duisburg produziert etwa 200 Milliliter Methanol pro Woche. In der Laboranlage ist es ungefähr 1 Liter am Tag. Die Demonstrationsanlage schafft gut 70 Liter Methanol-Wasser-Gemisch am Tag. Industrielle Methanolproduktionsanlagen schaffen bis zu 5 000 Tonnen am Tag.