Veranstaltungsreihe SW.aktiv
Knapp 80 Teilnehmende diskutierten Chancen und Hemmnisse integraler Quartiersprojekte
Trotz ihrer Komplexität und noch bestehender Hürden bieten Quartiere ein hohes Potenzial für das Erreichen der Klimaziele und daher Chancen für Stadtwerke – dies wurde bei der vierten Veranstaltung der Reihe SW.aktiv »Integrale Quartiersprojekte – ein Lösungsansatz für die Praxis?« deutlich. Knapp 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Bereichen Stadtwerk, Energieversorgung, Forschung und Dienstleistung diskutierten am vergangenen Dienstag zu Chancen und Hemmnissen bei der Quartiersentwicklung.
Ausgerichtet wurde die Veranstaltung durch das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheit und Energietechnik. UMSICHT-Wissenschaftlerin Dr. Anne Hagemeier führte durch das Programm und gestaltete den Auftakt gemeinsam mit ihrem Kollegen Leander Grunwald. Der Leiter der Gruppe »Optimierte Quartierssysteme« legte die Potenziale für integrierte Quartiersprojekte aus Forschungssicht dar: »Für zukunftsfähige (Bestands-)Quartiere ist eine integrale Planung essenziell, die erneuerbare Energieversorgung, energetische Sanierung und Elektromobilität gemeinsam betrachtet.«
Ein Grund für die Komplexität der integrierten Quartiersentwicklung ist die Tatsache, dass viele unterschiedliche Personengruppen beteiligt sind. Um die Vielfalt dieser Perspektiven zu betonen, kamen insgesamt fünf verschiedene Akteurinnen und Akteure zu Wort, die in kurzen Impulsvorträgen ihre jeweilige These zum Thema Quartier vertraten – basierend auf ihren Praxiserfahrungen.
Ralf Wienkotte von den Stadtwerken Bochum machte den Auftakt. Er betonte die Vorteile und Synergien, die sich durch eine integrale Planung ergeben, am Beispiel des Areal Mark 51°7 sowie zwei kleineren Quartierskonzepte, die aktuell von den Stadtwerke Bochum realisiert werden. Auch für Wohnungsgenossenschaften können sich Vorteile ergeben, wie Marvin Knese von der Sterkrader Wohnungsgenossenschaft darlegte. Im aktuellen Projekt QUENTIN werden mehrere Wohngebäude an eine flexible Nahwärmeversorgung angeschlossen. Dieser technologieoffene Ansatz in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken spart Kosten gegenüber einem Austausch der Einzelanlagen und ermöglicht die Einbindung flexibler Kraft-Wärme-Kopplung.
Dr. Theresa Eckermann, die Klimaschutzbeauftragte der Stadt Herten, betonte die weiteren Funktionen, die ein Quartier neben dem Klimaschutzaspekt leisten muss. Dazu gehören in ihren Augen auch eine Klimaanpassung sowie ein Biotop- und Artenschutz in Form von beispielsweise Dachbegrünung, Flächenentsiegelung und Bewusstseinsschaffung. All dies gelingt erst, wenn diese Lösungen auch im Quartier gefunden und gewollt werden, sowie durch eine Einbindung aller relevanten Personen und festen Ansprechpersonen vor Ort. Ähnlich sah dies auch Andreas Hübner von der Gertec GmbH Ingenieurgesellschaft: Insbesondere die Frage nach der Einbindung und Umsetzungsbereitschaft der lokalen Gebäudeeigentümer ist relevant. Regionale Energiedienstleister können dabei unterstützen, die relevanten Akteurinnen und Akteure zu identifizieren, zu informieren und einzubinden. Den Abschluss der Impulsvorträge machte Tobias Reiners von der EnergieServicePlus GmbH: Er wies auf noch bestehende Hürden hin, unterstrich jedoch insbesondere den Mehrwert, den Quartiere für die Wärmewende beitragen können. Schließlich befinden sich 75 Prozent der Wohnfläche des Bestandes in Quartieren.
Zum Teil gab es gegensätzliche Thesen der Impulsgebenden: Sind die technologischen Fragen alle gelöst, sodass die Herausforderung nur noch in der Umsetzung liegt? Oder sind auch noch technologische Herausforderungen zu lösen? Einig waren sich jedoch die meisten, dass Zusammenarbeit und Partizipation wesentliche Faktoren für das Gelingen von Quartiersprojekten sind.
Basierend auf den Impulsen fand anschließend in vier thematischen Diskussionsräumen ein Austausch mit den Teilnehmenden zu den Hauptthesen der Vorträge statt. Dabei wurde deutlich, dass Lösungen für den Bestand zu finden eine wichtige Herausforderung ist. Begriffe wie »Klimaneutralität« und »Technologieoffenheit« werden von Akteurinnen und Akteuren oft sehr unterschiedlich definiert und verwendet und haben auch nicht das nötige Gewicht. Hier muss ein Verständnis geschaffen werden. Auch soziale Aspekte wurden betont. Ziel sollte es sein, in die Umsetzung zu kommen. Dabei wurden auch die regulatorischen Hürden – insbesondere durch eine Planungsunsicherheit, viele Details, die zu beachten sind, und fehlende Anreize – erwähnt.
Zum Abschluss der Veranstaltung gab Dr. Stefan Krengel vom Projektträger Jülich einen Überblick über Fördermöglichkeiten für Quartiersprojekte im Rahmen des 7. Energieforschungsprogramms.
Die Reihe SW.aktiv wird organisiert durch den Themenverbund »Aktivierung der Stadtwerke«, bestehend aus DVGW-EBI, AGFW und Fraunhofer UMSICHT. Alle zwei Monate, immer dienstags um 15 Uhr, werden Praxiserfahrungen, Informationen und Impulse rund um Energiethemen auf lokaler Ebene vorgestellt und diskutiert. Die nächsten Termine stehen bereits fest: Am 08. Februar, 05. April sowie 14. Juni 2022 geht die Veranstaltungsreihe weiter und freut sich auf interessierte und aktive Teilnehmenden.