... Prof. Frank Atzler von der TU Dresden und im Leitprojekt L-VIII eMethanol-Auto verankert
Interview vom 25.01.2023
Sie sind Teilprojektleiter für die wissenschaftlichen Arbeiten an Ihrem Lehrstuhl im Leitprojekt L-VIII. Was wurde aus dieser Perspektive betrachtet bislang im Verbundprojekt Carbon2Chem® erreicht?
Frank Atzler: Diese Frage muss man eigentlich in einem relativ großen Kontext beantworten, denn für sich allein genommen sind Ergebnisse aus der Welt der Antriebssysteme vielleicht nicht besonders aufregend, insbesondere wenn man über Technologien berichtet, die nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch von vielen Kolleg*innen als »Schnee von gestern« wahrgenommen werden.
Ich versuche mal eine superkompakte Zusammenfassung: Die Zukunft unserer Energieversorgung wird Strom sein. Um die Versorgung mit Energie auch zu dann zu gewährleisten, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, muss Strom gespeichert werden. Dabei ist die chemische Speicherung sehr attraktiv, denn sie ermöglicht sehr hohe Energiedichten und lange »Haltbarkeit«, also zum Beispiel über die Jahreszeiten. Dieser Weg führt zuerst zum Wasserstoff als Grundsubstanz für die Speicherung, der allerdings neben ein paar anderen unangenehmen physikalischen Eigenschaften eine sehr geringe volumetrische Energiedicht aufweist. Also binden wir den Wasserstoff an rezyklierte Kohlenstoffmoleküle. Großindustriell lässt sich das zu konkurrenzfähigen Preisen wunderbar mit Methanol umsetzen. Methanol eignet sich also zum stationären Speichern genauso wie zum Transport rund um den Globus. Am Zielort kann man das grüne MeOH dann für die Rückverstromung während der Dunkelflaute, als nationale oder europaweite strategische Energiereserve, als Grundstoff der chemischen Industrie, aber z.B. auch für die zukünftige Mobilität einsetzen. Und da kommen wir ins Spiel.
Wir sind ja die Leute, die Drehmoment und Drehzahl für den Antrieb aller möglichen Anwendungen liefern, also die eben erwähnte Rückverstromung oder den Antrieb eines erschwinglichen, CO2-neutral angetriebenen Kleinwagens. Und bei den Antrieben kann man eine sehr einfache Zweiteilung vornehmen: Für stationäre Anwendungen, z.B. Blockheizkraftwerke, Zementwerke oder die Stahlherstellung, kann man Strom und Wasserstoff über Leitungen zuführen. Die Energiedichte und Speicherbarkeit tritt in den Hintergrund. Für mobile Anwendungen ist das völlig anders. Hier spielen die einfache Handhabung und die Geschwindigkeit beim Nachtanken sowie eine möglichst hohe volumetrisch Energiedichte für brauchbare Reichweiten die entscheidende Rolle. Auch sollte der Energiespeicher, also der Tank, nicht schwer und teuer sein. Der in riesigem Maßstab am einfachsten und billigsten herzustellende Carbon2Chem®-Kraftstoff ist das Methanol und das kann ohne große Umstände in einen billigen, leichten Tank gefüllt werden. Es hat zwar nur die halbe volumetrisch Energiedicht wie Dieselkraftstoff aber doppelt so viel wie FLÜSSIGER Wasserstoff (-253°C!!) und etwa 3 bis 6mal so viel wie gasförmiger H2, bezogen auf 700 und 350bar Speicherdruck.
Was wurde bisher erreicht: Wenn man für Methanol nun ein optimales Brennverfahren entwickelt, stellt man fest, dass der Wirkungsgrad fast den einer Brennstoffzelle erreicht, und das bei einem im Vergleich zu anderen Antriebsaggregaten unschlagbaren Preis bei einer gleichzeitig extrem guten Robustheit! Paart man nun einen solchen Verbrennungsmotor mit einer elektrischen Maschine in Kombination mit einer gegenüber einem reinen Batteriefahrzeug extrem verkleinerten Batterie zu einem »Super-Hybridantrieb«, dann kann der Energieverbrauch für das Lastkollektiv, für das man den Antrieb konzipiert hatte, nochmals gesenkt werden! Wir haben also eine robuste, bezahlbare Lösung mit einfacher Energielogistik und -handhabung für mobile Anwendungen, die noch dazu CO2-neutral ist! Diesen Antrieb darzustellen ist unser ehrgeiziges und spannendes Ziel im Carbon2Chem®-Projekt!
Was waren Highlights?
Frank Atzler: Wir haben in Carbon2Chem® ja die Aufgabe, so einen eben skizzierten »Super-Hybrid« auf Herz und Nieren zu testen und weiterzuentwickeln. Nachdem wir erst am Anfang des Projektes stehen, sind die Highlight noch nicht bombastisch. Aber wir haben einen völlig neuen Prüfstand aufgebaut, und das in Zeiten der Lieferschwierigkeiten und Corona-Beschränkungen und ich bin deshalb mit dem zeitlichen und technologischen Fortschritt sehr zufrieden. Die Besonderheit ist, dass wir den Motor und den damit verblockten Generator für unsere Forschung mechanisch entkoppelt haben und die Systemteile nun tatsächlich einzeln bewerten können. Das war bisher nicht möglich und wird uns bei der Optimierung des Gesamtsystems deutlich weiterbringen.
Was waren die größten Herausforderungen?
Frank Atzler: Das waren in der Tat die Lieferschwierigkeiten, das Warten auf Teile und Material. Wir sind derzeit ungefähr sechs Wochen hinter dem Zeitplan.
Die Entkoppelung des Motors vom Systemverbund war eine anspruchsvolle Ingenieursaufgabe. Wir habe dafür etliche Spezialteile konstruiert und gefertigt. Aber das können wir im eigenen Haus erledigen und das sind ja auch die Dinge die das Ingenieursherz höherschlagen lassen und Spaß machen.
Welche nächsten Schritte sind geplant?
Frank Atzler: Nun freuen wir uns auf die erste Basisvermessung, um zu sehen, an welchen Stellen wir thermodynamisch und mechanisch angreifen und verbessern können. Aus der bisherigen Erfahrung mit Methanolanwendungen wissen wir schon ungefähr, was uns erwartet und wo es dann langgehen muss. Der Teufel wird aber wie immer im Detail stecken, aber das ist ja das Wesen der Forschung! Und wie gesagt, da schlägt das Forscherherz schneller!