Interview

»Ich habe mir während meiner Zeit in Spanien ein neues internationales Netzwerk aufgebaut«

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Persönliche Weiterentwicklung und internationale Vernetzung werden bei Fraunhofer UMSICHT großgeschrieben. Unser UMSICHT-Stipendium ermöglicht Mitarbeitenden beispielsweise, mehrere Monate an einer Universität oder Forschungseinrichtung im Ausland zu arbeiten. Christoph Goetschkes aus unserer Abteilung Energiesysteme hat diese Chance für einen Aufenthalt an der Universidad Politécnica de Madrid genutzt. Im Interview verrät er, welche Erfahrungen er in dieser Zeit gesammelt hat.

Christoph Goetschkes in Madrid
UMSICHT-Wissenschaftler Christoph Goetschkes hat mehrere Monate an der Universidad Politécnica de Madrid verbracht.

Warum hast du dich für einen Auslandsaufenthalt entschieden?

Christoph Goetschkes: Jedes Jahr verschickt unsere Personalentwicklung diese E-Mail mit der Aufforderung, sich für ein »UMSICHT-Stipendium« zu bewerben. Damit haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Möglichkeit, für eine befristete Zeit an einer Hochschule oder einem Institut im Ausland zu arbeiten. Zielsetzung: eine Intensivierung der Kooperation mit Hochschulen und eine Verbesserung der internationalen Vernetzung. Und jedes Jahr dachte ich: Das ist was für dich. Bewirb dich endlich und tu was für deine persönliche Weiterentwicklung! Und 2024 habe ich es dann endlich gemacht.

Du hast dich für Spanien entschieden, weil…

Christoph Goetschkes: …das englischsprachige Ausland dann einfach zu langweilig war. Ich hatte in der Schule zwei Jahre lang Spanisch-Unterricht. Diese Sprachkenntnisse habe ich an der Universität immer mal wieder aufgefrischt, und jetzt war einfach eine gute Gelegenheit, das Gelernte in der Praxis anzuwenden und dadurch zu vertiefen.

Bei der Suche nach der passenden Institution habe ich mir die Internetseiten verschiedener Hochschulen und Forschungseinrichtungen angesehen. Thematisch passte die Universidad Politécnica de Madrid (UPM) sehr gut. Also habe ich eine Mail an das dortige International Office geschrieben, meine Forschung zum Thema Wärmenetz- und Quartiersplanung und mich kurz vorgestellt und gefragt, ob ich für einige Monate dort arbeiten kann. Schon eine Woche später hatte ich eine positive Antwort im Posteingang – und zwar lustigerweise von einem Professor, der in der Vergangenheit schon mal mit unserem Institut in Kontakt stand. Das war natürlich ein wunderbarer Türöffner. Zusammen mit der Tatsache, dass er aktuell an einem europäischen Projekt zur Nahwärmekonzepten gearbeitet hat.

Gab es bürokratische Hürden?

Christoph Goetschkes: Nein. Überhaupt nicht. Ich musste eine Bewerbung schreiben, einen Kostenplan vorlegen und eine Empfehlung meiner Führungskraft beilegen. Aber das war es dann auch. Von Vorteil war natürlich, dass für die Universität dank Stipendium keine Personalkosten entstanden sind und die UPM innerhalb der EU liegt.

Wie sah dein Arbeitsalltag in Spanien aus?

Christoph Goetschkes: Zum einen habe ich ganz normal an meinen UMSICHT-Projekten weitergearbeitet. Dank Teams & Co. ist das ja kein Problem. Zum anderen habe ich sehr viel recherchiert und mich mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort über ihre Arbeit ausgetauscht. Das ging eher Richtung Akquise als Richtung Forschung.

Es gibt EU-Calls, die potenziell für UMSICHT interessant sind und über die wir in Madrid diskutiert haben. Bei einem geht es darum, städtische Räume in Richtung Klimaneutralität neu zu denken. Im Gespräch war u.a. eine Untertunnelung von Stadtautobahnen, um den Verkehr unter die Erde zu leiten und die Städte mit grünen Ringen zu versehen. Da steht dann die Frage im Raum, wie man die Abwärme in den Tunneln sinnvoll nutzen kann.

Zusammenfassend lässt sich sicher sagen, dass ich mir während meiner Zeit in Spanien ein internationales Netzwerk aufgebaut und eine solide Basis für potenzielle zukünftige Zusammenarbeiten geschaffen habe. Ob daraus konkret etwas entsteht, wird sich zeigen.

Als Motivation für deinen Auslandsaufenthalt hattest du persönliche Weiterentwicklung genannt. Ziehst du da eine positive Bilanz?

Christoph Goetschkes: Definitiv. Sowohl in Spanisch als auch in Englisch – an der UPM waren natürlich auch noch andere internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tätig – bin ich deutlich souveräner. Darüber hinaus hat es auch einfach mal gut getan, sich ein paar Monate in anderen Strukturen zu bewegen. Mit Blick sowohl auf die Arbeit als auch auf die Freizeit.

Das Leben in Madrid unterscheidet sich dann doch deutlich von dem im Ruhrgebiet bzw. am Niederrhein. Das fängt schon beim Tagesrhythmus an: Alles ist weiter nach hinten verschoben. Man fängt später mit der Arbeit an. Man macht länger Mittag, weil es auch in der Uni-Kantine drei Gänge gibt und das gemeinsame Essen wichtig für einen intensiven – und sehr lautstarken – Austausch ist. Man isst spät zu Abend und geht dann noch später aus.

Mit Blick auf die Arbeit habe ich gelernt, unsere Abteilungsstrukturen bei UMSICHT ganz anders wertzuschätzen. An der Universidad Politécnica de Madrid – zumindest in der Forschungsgruppe, in der ich angesiedelt war – waren die Strukturen schon sehr stark auf den Professor ausgerichtet. Bei uns ist das anders: Wir haben viele verschiedene Austauschformate und hinterfragen auch regelmäßig, ob alles noch seine Berechtigung hat oder angepasst werden sollte. Da ist ganz anderes Arbeiten möglich.

Wie warst du außerhalb des Universitätskontextes unterwegs?

Christoph Goetschkes: Ich habe sehr viele neue Leute getroffen. In Madrid gab unzählige Meet-ups und Sprachaustauschtreffen. Ich habe auch viel vom Land selbst gesehen und die Wochenenden zum Beispiel genutzt, um mir verschiedene Städte anzusehen. Sevilla war definitiv eines der Highlights. Obwohl ich zufälligerweise genau zum Zeitpunkt eines wichtigen Feiertags da war. Eigentlich wollte ich in Ruhe die Stadt genießen, musste aber ein wenig um Menschenmassen und Umzüge herumnavigieren.

Du kannst den Kolleginnen und Kollegen bei UMSICHT so einen Auslandsaufenthalt also nur ans Herz legen?

Christoph Goetschkes: Auf jeden Fall. Ich habe beruflich und persönlich sehr viel mitgenommen und auch sehr viel über mich gelernt. Vielleicht sollte man nicht zu hohe Erwartungen an den Empfang vor Ort haben. Ich bin da natürlich sehr gut integriert worden, aber ich war eben auch keine Priorität, sondern ein Gast, der sich am Anfang auch durchaus selbst darum kümmern musste, dass er irgendwo einen Schreibtisch bekommt. Und ich empfehle dringend, sich schon vorher ein wenig zu vernetzen. Also zu schauen, wer arbeite da an welchen Projekten und wo gibt es Schnittstellen zur eigenen Arbeit. Das erleichtert den Einstieg ungemein. 

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