»Mit fibrEX wird Waschwasser zu 80 Prozent plastikfrei«
Mikroplastik ist in der Umwelt nur schwer abbaubar. Deswegen müssen effektive Lösungen gefunden werden, um die mikroskopisch kleinen Kunststoffpartikel bereits dort zu beseitigen, wo sie entstehen. Zum Beispiel aus dem Waschwasser. Durch das Wäschewaschen lösen sich nämlich Kunstfasern aus der Kleidung. Mit dem Zentrifugalfilter fibrEX ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Fraunhofer UMSICHT gelungen, diese Fasern vom Wasser zu trennen. Dr.-Ing. Jan Blömer war maßgeblich an der Entwicklung beteiligt.
Für wie viel Mikroplastik ist Kleidung verantwortlich? Und was bringt das für Probleme mit sich?
Jan Blömer: Kleidung unterscheidet sich sehr in der stofflichen Zusammensetzung, weshalb es schwierig ist, das zu quantifizieren. Ich möchte aber ein Beispiel nennen: Polyester ist einer der beliebtesten synthetischen Bekleidungsstoffe. Er ist sehr resistent gegenüber Wasser und Schmutz und wird daher bei Bade-, Outdoor- und Sportkleidung besonders gerne verarbeitet. Jedes Mal, wenn Kleidung mit synthetischem Anteil gewaschen wird, gelangen erhebliche Mengen an synthetischen Fasern in die Waschmaschine bzw. ins Waschwasser. Der Grund dafür: Die mikroskopisch kleinen Fasern reiben sich beim Reinigungsprozess ab oder Bruchstücke lösen sich aus den Geweben.
Was sich quantifizieren lässt, ist, dass 20 bis 35 Prozent des weltweiten Mikroplastiks aus synthetischen Fasern bestehen. Gelangen diese ins Abwasser, gibt es zwar theoretisch die Kläranlagen im Anschluss. Hier werden aber nur ungefähr zwei Drittel der Fasern herausgefiltert und im Klärschlamm verbrannt. Das übrige Drittel findet sich in der Umwelt wieder, z. B. über die Düngung von Feldern. Ein kleiner Teil der Fasern entgeht dem System Kläranlage außerdem und wird mit dem Klarwasser ausgetragen. Frankreich hat deswegen für 2025 ein Gesetz erlassen, mit dem nur noch Waschmaschinen mit Mikrofaserfilter für den Markt zugelassen werden dürfen. Man geht davon aus, dass die anderen EU-Länder bald nachziehen. Aktuell gibt es jedoch noch keine gut funktionierenden Filter.
Wie sieht denn der Markt aus?
Jan Blömer: Auf dem Markt befindet sich derzeit nur eine einzige Waschmaschine mit Filter – den wir getestet haben. Die Mikrofasern werden dabei mit einem Sieb aufgefangen. Beim Waschen von Mischgewebe verstopft dieses allerdings genauso wie alle anderen Filter auf Basis von Sieben, die wir selbst entwickelt und getestet haben. Ein Grund sind z. B. Baumwollfasern, die sehr fein sind und eine klebrige Konsistenz haben. Sie verfangen sich in den Mikrofasern, blocken die Poren und somit das Sieb vollständig – oft schon während einer Wäsche. Das Sieb wird unbrauchbar. Dadurch sind wir auf die Idee gekommen, eine Alternative zu entwickeln. Unser Filter nutzt anstelle von Poren eine Zentrifuge.
Sie haben am Fraunhofer UMSICHT das neue Filterkonzept namens fibrEX entwickelt. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Jan Blömer: Wir haben zunächst eine Versuchs-Zentrifuge mit einem Durchmesser von 20 cm entworfen. Das schmutzige Wasser gelangt darin in die Mitte und wird durch Schleudern zum äußeren Rand beschleunigt. Aufgrund des Dichteunterschiedes[1] kann das klare Wasser ablaufen, während das Mikroplastik auf dem Boden der Zentrifuge zurückbleibt. Die Ergebnisse der ersten Versuchsreihen sind in den Bau einer weiteren, optimierten Zentrifuge eingeflossen.
Eine Zentrifuge zu verwenden, ist auf den ersten Blick nicht revolutionär. Von Grund auf neu ist hingegen unser Konzept, das wir uns haben patentieren lassen. Man kann die Zentrifuge zum einen in die Waschmaschine integrieren – z. B. an der Rückwand der Wäschetrommel angebracht – oder als Nachrüstlösung betreiben. Die Maschine wäscht die Wäsche in der Trommel und pumpt das Wasser in den Tank. Während des anschließenden Schleudervorgangs kommt der fibrEX-Filter zum Einsatz, um das Wasser zu reinigen. Nach der Wäsche muss die Zentrifuge nur noch herausgenommen, gereinigt und wieder eingesetzt werden.
Wie effektiv ist fibrEX?
Jan Blömer: Bei hohen Drehzahlen von über 800 Umdrehungen pro Minute wird das Waschwasser mit der ersten Versuchs-Zentrifuge zu 80 Prozent frei von Plastik. Wir wollten aber noch besser werden, insbesondere im niedrigen Drehzahlbereich. Denn empfindliche Kleidung wird häufig nur mit 400 Umdrehungen pro Minute geschleudert. Und da gelingt die Abtrennung nur mit einer sehr langsamen Wasserzufuhr.
Mit der zweiten Zentrifuge haben wir große Fortschritte gemacht. Sie ist insgesamt etwas größer, wodurch das Wasser mehr Zeit zum Ablaufen hat. Auch haben wir mithilfe eines speziellen Einsatzes die Einströmung beruhigen können. Das verbessert die Filterung im Ergebnis nochmals, sodass wir jetzt auch bei niedrigen Umdrehungen eine Effizienz von 80 Prozent erreichen.
Was geschieht mit den übrigen 20 Prozent?
Jan Blömer: Die gehen noch ins Abwasser. Dies war unser erstes Entwicklungsziel. Durch weitere Optimierung sind später vermutlich noch höhere Abscheideraten erreichbar. Aktuelle Waschmaschinenfilter haben häufig einen Bypass: Wenn der Filter verstopft ist, fließt das Wasser am Filter vorbei, da die Waschmaschine ansonsten eine Störung aktivieren würde.
Was sind die nächsten Schritte?
Jan Blömer: Unser Konzept funktioniert aktuell bei 400 Umdrehungen nur für eine Flussrate von maximal 1 Liter pro Minute (800 U/min 4L/min, 1200 U/min 6L/min). Üblicherweise pumpen Waschmaschinen mit einem deutlich höheren Volumen. Deswegen liegt unser Fokus jetzt auf der passenden Flussrate-Drehzahl-Kombination. Hierzu haben wir mehrere kreuzförmige Einsätze mit einer unterschiedlichen Anzahl an Flügeln konzipiert und testen diese. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz die Effizienz des Filters mit steigender Flügelanzahl erhöht. Mit einer noch ruhigeren Strömung sollten dann auch die nächsten Tests bei niedrigen Umdrehungen und höheren Flussraten optimal verlaufen.
Ist fibrEX potenziell für jeden Waschmaschinenhersteller geeignet? Und wann können wir mit einer Markteinführung rechnen?
Jan Blömer: Theoretisch ja. Wir suchen derzeit aber explizit nach einem Hersteller, der mit uns in die finale Phase des Projekts gehen möchte. Der Verzicht auf Siebe und die Verwendung von Zentrifugen macht fibrEX zu einer robusten Lösung zur Abscheidung von Mikroplastik mit hohem Alleinstellungsmerkmal. Die finale Phase dürfte ungefähr 6 Monate dauern. Wann der Filter auf dem Markt erhältlich sein wird, hängt dann vom potenziellen Partner ab. Gerade aufgrund der Vorgaben in Frankreich und der zu erwartenden Einführung auch in anderen EU-Ländern ist davon auszugehen, dass wir in Deutschland aufs Gaspedal treten müssen.
[1] Der überwiegende Teil der in Textilien verwendeten synthetischen Fasern basiert auf Polyester (PET), Polyamid (Nylon) oder Acryl, die alle eine Dichte > 1 g/cm^3 aufweisen.