»Kernelement der UMSICHT Research School sind halbjährliche, vertrauliche Statusgespräche mit den angehenden Doktorinnen und Doktoren«
Doktorandinnen und Doktoranden in drei, maximal vier Jahren zur Promotion zu führen – so lautet die Zielsetzung der UMSICHT Research School. Wie die Unterstützung konkret aussieht und warum die School als Good-Practice-Beispiel für andere Fraunhofer-Institute gilt, verraten Personalentwicklerin Konstanze Nonn und School-Koordinator Volker Knappertsbusch im Interview.
Die UMSICHT Research School war bei ihrem Start 2016 die erste ihrer Art in der Fraunhofer-Gesellschaft. Wer gab damals den Impuls?
Volker Knappertsbusch: Tatsächlich lässt sich der Start an einer bestimmten Person festmachen: Prof. Dr.-Ing. Anna Grevé – inzwischen Leiterin der Abteilung Elektrochemische Energiespeicher am Fraunhofer UMSICHT. Sie hatte festgestellt, dass die durchschnittliche Dauer von Dissertationen am Fraunhofer UMSICHT unbefriedigend, also schlicht zu lang war. Ihr Vorschlag: die Promovierenden stärker fachlich und persönlich zu fördern. Über eine Umfrage wurden Bedarfe auf Seiten sowohl der Doktorandinnen und Doktoranden als auch der Betreuerinnen und Betreuer abgefragt. Die UMSICHT Research School sollte den Rahmen bilden, um diese Bedarfe zu decken.
Die Koordination haben aber Sie übernommen?
Volker Knappertsbusch: Genau. Ich war damals Mitarbeiter bei Anna Grevé und schon recht lange beim Fraunhofer UMSICHT. Dadurch kannte ich die meisten Betreuerinnen und Betreuer sehr gut. Eine gewisse Empathie ist mir auch zu eigen, so dass ich diese Aufgabe sehr gerne übernommen habe. Gemeinsam mit der Personalentwicklung haben wir dann die Struktur entwickelt und peu à peu in die Praxis umgesetzt.
Wie sah die Betreuung der Promovierenden bis zu diesem Zeitpunkt aus?
Volker Knappertsbusch: Sehr divers. Es gab Betreuende, die den Fokus stark auf die Wissenschaft gelegt haben, und solche, die stärker auch mal persönliche Dinge in den Austausch mit den Doktorandinnen und Doktoranden haben einfließen lassen. Es gab Betreuende, denen war eine zügige Bearbeitung wichtig, während andere bestrebt waren, gute Promovierende auch mal länger am Institut zu halten. Um solche Unterschiede in Zukunft zu vermeiden, haben wir mit der UMSICHT Research School einen verbindlichen Rahmen für die Betreuung von Promovierenden am Institut festgelegt. Der hat dann übrigens irgendwann den »Code of Conduct« der Fraunhofer-Gesellschaft mitgeprägt – ein gemeinsames Grundverständnis bezüglich der Bedingungen für Promotionsvorhaben in den Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft. Seine wesentlichen Punkte werden über Qualifizierungsvereinbarungen zwischen Promovierenden und dem jeweiligen Fraunhofer-Institut benannt und vereinbart.
Was sind die wichtigsten Bestandteile der UMSICHT Research School?
Volker Knappertsbusch: Kernelement sind halbjährliche, vertrauliche Statusgespräche mit den angehenden Doktorinnen und Doktoren, die ich vor Ort am Institut oder via Teams führe. Dabei geht es mir nicht um das Fachliche, sondern darum, wie sich die Promovierenden aktuell mit ihrer Aufgabe fühlen, wie sie den Fortschritt einschätzen und ob es momentan Hindernisse gibt. Die Themenpalette ist entsprechend breit: Ich erfahre von defekten Geräten, für deren Reparatur sich niemand verantwortlich fühlt. Da fasse ich dann entsprechend nach. Ich höre aber auch von Motivationsproblemen. Da gebe ich dann im Rahmen meiner Möglichkeiten Hilfestellung oder nenne konkrete Ansprechpersonen, die weiterhelfen können. Auch Dissonanzen in den Beziehungen zu den Betreuerinnen und Betreuern kommen zur Sprache. Da schlüpfe ich dann in die Rolle des Moderators und vermittle zwischen den beiden Parteien.
Immer mehr Promovierende melden sich auch zwischen diesen Gesprächen bei mir und fragen zum Beispiel um Rat. Nicht immer habe ich Lösungen parat, aber die Dankbarkeit, jemanden zu haben, mit dem man über Probleme sprechen kann, ist immer sehr groß.
Konstanze Nonn: Die Statusgespräche sind wirklich der wichtigste Part der UMSICHT Research School und nehmen auch die meiste Zeit in Anspruch. Darüber hinaus erhalten alle Promovierenden einen Trainingsplan – bestehend aus Pflicht- und Wahlangeboten zur Qualifizierung. Zudem gibt es ein Promotionscoaching, bei dem ein externer Wissenschaftler einmal pro Monat die Möglichkeit bietet, auf bereits fertiggestellte Schriftstücke der Dissertation zu schauen. Das kann man sich wie eine Schreibwerkstatt vorstellen. Ein positiver Nebeneffekt sind die Synergien, die sich aus diesem Austausch ergeben. Schließlich kommen da immer unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Themen und Fragestellungen zusammen.
Ebenfalls Bestandteil der UMSICHT Research School sind Exkursionen zu Unternehmen, die als potenzielle Arbeitgeber für die Promovierenden interessant sein könnten – zum Beispiel das Stahlwerk in Duisburg, die Raffinerie in Gelsenkirchen oder ein Chemieunternehmen in Frankfurt. Auch soziale Events spielen natürlich eine wichtige Rolle. Im Sommer und Winter stehen traditionell Grillen und Weihnachtsmarktbesuch auf dem Programm. Aber auch außer der Reihe finden natürlich Treffen statt.
Volker Knappertsbusch: In einem Jahr waren wir beispielsweise gemeinsam auf der Ruhr rudern. Solche Aktionen stärken das Gemeinschaftsgefühl, und wir möchte gerne, dass sich die Promovierenden als Gruppe innerhalb des Fraunhofer UMSICHT verstehen und sich auch gut vernetzen. Dafür haben wir u.a. eine eigene, interne Internetseite angelegt, auf der sich Neuzugänge etwas persönlicher vorstellen können und auch virtueller Austausch möglich ist. Es finden auch Runden statt, in denen sich die Promovierenden gegenseitig den aktuellen Stand ihrer Arbeiten vorstellen.
Kurz zurück zu den Qualifizierungsangeboten: Welche Themen verbergen sich dahinter?
Konstanze Nonn: Wissenschaftliches Schreiben und Präsentationstechniken sind z.B. Pflichtseminare, die man auf Deutsch oder Englisch belegen kann. Wahlseminare sind Fortbildungen und Trainings, die in die fachliche Richtung gehen, aber auch sowas wie Scrum, Projektmanagement, statistische Versuchsplanung oder Python.
Volker Knappertsbusch: Wenn sich jemand persönlich weiterentwickeln möchte, gibt es auch Zeit- und Selbstmanagement. Auf solche speziellen Wünsche gehen wir ein, weil es wichtig ist, dass die Weiterentwicklung bedarfsgerecht erfolgt.
Gibt es auch Erwartungen, die die UMSICHT Research School an die Promovierenden hat?
Konstanze Nonn: Selbstverständlich. Jede Doktorandin, jeder Doktorand muss während der Zeit am Fraunhofer UMSICHT eine Masterandin oder einen Masteranden betreuen. Das ist keine leichte Aufgabe, die Doktorandinnen und Doktoranden haben kurz zuvor ihre eigene Masterarbeit abgegeben und sollen nur kurze Zeit später selber betreuen. Um dieses Thema zu schulen, haben wir gerade ein neues Seminar in das Bildungsprogramm mit aufgenommen. Das virtuelle Training »Betreuung von Masterarbeiten« wird erstmals im November angeboten. Inhalte sind unter anderem: Welche Rolle und Verantwortung habe ich gegenüber der zu betreuenden Person? Wie können wir von Beginn an Ziele setzen und Zeitpläne vereinbaren? Wie kann ich auch kritisches Feedback geben, wenn etwas nicht gut läuft?
Volker Knappertsbusch: Gewünscht ist zudem, dass die Promovierenden an einer Konferenz teilnehmen und dort auch ein Poster vorstellen. Auf diese Weise lässt sich die Präsentation vor einer externen Gruppe sehr gut üben. Auch mindestens eine Peer-reviewed-Veröffentlichung steht auf der To-do-Liste unserer Promovierenden.
Hat sich seit Gründung der UMSICHT Research School die Zufriedenheit der Doktorandinnen und Doktoranden gesteigert?
Konstanze Nonn: Wir führen alle zwei Jahre eine Befragung bzw. Evaluation durch. Aus den Ergebnissen können wir eine hohe Zufriedenheit ableiten – vor allem mit den Statusgesprächen und den Trainingsprogrammen. Wir werden aber auch immer wieder auf Verbesserungsmöglichkeiten hingewiesen und greifen diese Impulse sehr gerne auf. Die Idee zu den Unternehmensexkursionen beispielsweise kam aus einer Evaluation.
Wie sieht es eigentlich mit den Betreuerinnen und Betreuern aus? Bietet die UMSICHT Research School auch ihnen Formate an?
Konstanze Nonn: Wir haben mal versucht, eine entsprechende Initiative zu starten, und einen kleinen Workshop mit den Betreuenden gemacht. Es waren tatsächlich auch ein paar da, aber in der Evaluation – die alle zwei Jahre natürlich an beide Zielgruppen geht – wurde kein weiterer Austausch gewünscht. Deshalb haben wir diesen Ansatz nicht weiterverfolgt. Allerdings bietet die Zentrale derzeit ein umfassendes Trainingsprogramm für Betreuende an, das sich über mehrere Monate erstreckt. Dort haben sich bereits einige Betreuende des UMSICHT angemeldet.
Volker Knappertsbusch: Aber natürlich können sich Betreuende jederzeit bei der Personalentwicklung melden, wenn sie Bedarfe an Seminaren oder Coaching haben.
Inzwischen gibt es auch an anderen Instituten Research Schools. Diente die UMSICHT-Variante als Vorbild?
Volker Knappertsbusch: Als 2019 der fraunhoferweite »Code of Conduct« für die Betreuung von Promovierenden erstellt wurde, habe ich in verschiedenen Gremien unsere Research School vorgestellt. Zudem sind wir im Code als eines von fünf Good-Practice-Beispielen aufgeführt. Daraufhin haben sich natürlich verschiedene Vertreterinnen und Vertreter anderer Institute bei uns gemeldet, die ähnliche Projekte aufsetzen wollten, und sich mit uns ausgetauscht. Ein paar Anregungen werden sie dabei sicherlich mitgenommen haben.
Ein abschließender Blick in die Zukunft: Sind schon neue Formate geplant, auf die sich die Promovierenden freuen können?
Konstanze Nonn: Aktuell gehen unsere Überlegungen in Richtung Karrierecoaching. Nicht alle Doktorinnen und Doktoren wollen und können beim Fraunhofer UMSICHT bleiben. Einige machen sich auch erst mit Abschluss der Dissertation Gedanken, wie es weitergehen könnte. Da kann es nicht schaden, früh genug auf Optionen zum Beispiel in der Wirtschaft hinzuweisen.