»Die Technik hinter der Eisen-Luft-Batterie ist prädestiniert für stationäre Energiespeicher«
Während der Ölkrise in den 70er Jahren war sie als Speichertechnologie ins Gespräch gekommen – nur um anschließend wieder in der Schublade zu verschwinden. Seit einigen Jahren erlebt sie eine Renaissance: Auf der Suche nach zuverlässigen stationären Energiespeichern, welche die fluktuierende Stromerzeugung mittels Photovoltaik- oder Windenergieanlagen ausgleichen können, sind Forschende erneut auf die Eisen-Luft-Batterie gestoßen. Darunter ein Team des Fraunhofer UMSICHT und der Hochschule Ruhr West. Marvin Kosin, Doktorand in der Abteilung Elektrochemische Energiespeicher, spricht im Interview über die gemeinsame Arbeit an einem Demonstrator im Rahmen des Projektes »Entwicklung eines Eisen‐Luft‐Batteriestacks als stationärer Energiespeicher für die Photovoltaik (ELUSTAT)«.
Wie funktioniert eine Eisen-Luft-Batterie?
Marvin Kosin: Grob erklärt besteht die Eisen-Luft-Batterie aus einer Luft- und einer Eisen-Elektrode. Letztere funktioniert nach dem Prinzip »rostiger Nagel«: Beim Entladen reagiert das Eisen zu verschiedenen Eisenoxiden und -hydroxiden, also Rost. Beim Laden wird eine Spannung in die Gegenrichtung angelegt und der Rost wird zu Eisen zurückentwickelt. An der Luftelektrode wird beim Entladen Sauerstoff aus der Umgebung reduziert und als Hydroxidion im Elektrolyten gelöst und beim Laden wieder freigesetzt. Beim Entladen werden an der Eisenelektrode Elektronen frei, die an der Luftelektrode für die Sauerstoffreduktion benötigt werden. Der einzige Weg dorthin führt über einen angeschlossenen Verbraucher, in dem die Elektronen dann Arbeit verrichten.
Wo liegen ihre Vorteile?
Marvin Kosin: Das kommt natürlich auf die Anwendung an. Im Bereich stationärer Energiespeicher sind Preis und Verfügbarkeit der Materialien der größte Vorteil. Eisen ist das häufigste Element in unserer Erdkruste und entsprechend günstig. Zudem wird es auch in Deutschland und Europa abgebaut. Im Vergleich dazu brauchen stationäre Batterien auf Lithium-Ionen-Basis größere Mengen an Rohstoffen, bei denen es in den nächsten Jahren zu Versorgungsengpässen kommen kann.
Weitere Vorteile: Eisen-Luft-Batterien sind unempfindlich gegen Überladung, Teil- und Tiefenentladung und vor allem die Eisenelektrode ist sehr robust und kann mehr als 10 000 Lade-/Entladezyklen überstehen. Das entspricht einer Einsatzdauer von etwa 30 Jahren.
Lässt sich für die Eisenelektrode auch recyceltes Material verwenden?
Marvin Kosin: Tatsächlich befinden wir uns da aktuell in einer Projektanbahnung. Grundidee: eisenhaltige Abfälle aus der Industrie im Ruhrgebiet für die Herstellung der Eisenelektrode nutzen. Gleichzeitig lässt sich natürlich das Eisen, das in der Batterie zum Einsatz kommt, auch wieder recyceln – das Verfahren hängt allerdings vom Aufbau der Elektrode ab.
Warum eignet sich die Eisen-Luft-Batterie vor allem als stationärer Energiespeicher?
Marvin Kosin: Für die stationäre Speicherung sind vor allem die Betriebssicherheit, Lebensdauer, Kosten und Rohstoffeffizienz entscheidend. Die Eisen-Luft Batterie zeichnet sich zusätzlich noch durch eine hohe Energiedichte aus. Im Gegensatz zu einer Li-Ionen Batterie besitzt die Eisen-Luft Batterie aber nur eine geringe Leistungsdichte. Das lässt sich am besten am Beispiel eines Elektro-Autos erklären: Die Energiedichte besagt, wie weit ein Elektroauto mit einer Ladung fahren kann. Die Leistungsdichte, wie stark es beschleunigen kann. Und während die Eisen-Luft-Batterie mit Blick auf die Leistungsdichte definitiv nicht gut abschneidet, sieht ihre Energiedichte sehr gut aus. Diese geringe Leistungsdichte führt aber dazu, dass die Eisen-Luft Batterie im Betrieb sehr sicher ist.
Gibt es bei all den Vorteilen auch Nachteile?
Marvin Kosin: Die gibt es in der Tat – und genau da setzen wir mit unserer Forschung an. Auf der Eisen-Seite, die im Fokus der Forschung an der Hochschule Ruhr West steht, gibt es vor allem zwei Sachen. Da ist zum einen die Ausnutzung des Aktivmaterials. Man muss sich das so vorstellen: Rostet ein massiver Eisenblock, dann entsteht die Rostschicht auf der Oberfläche und wächst von außen nach innen. Während das Eisen als Metall super leitfähig ist, hat der Rost als Metalloxid keine Leitfähigkeit. Sprich: Bei der Batterie wird nur das Obermaterial, nicht aber das komplette Aktivmaterial ausgenutzt. Unser Ansatz: das Oberflächenvolumenverhältnis möglichst groß zu halten, um somit die Effizienz zu steigern.
Das zweite Problem ist der Wasserstoff, der beim Laden der Batterie an der Eisen-Elektrode – quasi parasitär – entsteht. Nicht gerade der effektivste Weg, Wasserstoff zu produzieren. Diese Reaktion führt dazu, dass im Schnitt nur 50 Prozent der Energie, die wir in die Batterie stecken, auch in der Batterie bleibt. Um dieses Problem zu lösen, arbeiten wir an verschiedenen Elektrolytzusätzen bzw. Zusätzen zur Eisen-Elektrode, die die Wasserstoff-Entwicklung unterdrücken.
Auf der Luft-Seite – unserem Schwerpunkt – zeigt sich eine andere Problematik: die Kohlenstoffkorrosion. Um die Sauerstoffreaktion zu beschleunigen, nutzt man in der Regel Platin oder andere Edelmetalle als Katalysator sowie Kohlenstoff als Leitzusatz. Das funktioniert bei Metall-Luft Batterien, die nicht wieder aufladbar sind, sehr gut. Allerdings korrodiert der Kohlenstoff beim Laden der Batterie weg, wodurch die Lebensdauer rapide sinkt. Deshalb arbeiten wir an Elektroden, die kohlenstofffrei sind und z.B. auf Nickel basieren. Ferner sind die Elektroden, die wir entwickeln, komplett frei von teuren Edelmetallen.
Wie wird dabei vorgegangen?
Marvin Kosin: Wir setzen auf zwei Ansätze zur Fertigung der Luft-Elektrode. Das auch in der Industrie übliche Standardverfahren sieht so aus, dass wir unsere Bestandteile nehmen, mischen und auf einen Stromabnehmer pressen. Wir pressen die Elektrode zusammen, testen dabei verschiedene Pressparameter und Materialzusammensetzungen und schauen dann, wie sich das miteinander verhält. Im Grunde korrelieren wir die physikalischen Eigenschaften der Elektrode – von der Leitfähigkeit über die Porenstruktur bis zur Stromdichte.
Das Projekt läuft noch bis Ende April 2022. Seid Ihr mit dem Erreichten zufrieden?
Marvin Kosin: Auf jeden Fall. Wir haben funktionstüchtige Elektroden entwickelt, die komplett ohne Edelmetalle und Kohlenstoff auskommen, wodurch die Kosteneffizienz und Lebensdauer von Eisen-Luft-Batterien weiter gesteigert werden konnte. Jetzt folgen noch letzte Messungen – und dann können wir final feststellen, ob wir die hochgesteckten Projektziele auch erreicht haben.
Wie geht es anschließend mit der Eisen-Luft-Batterie beim Fraunhofer UMSICHT weiter?
Marvin Kosin: Ein Folgeprojekt – ebenfalls mit der Hochschule Ruhr West an Bord – ist bereits in der Pipeline. Dabei sollen besonders leistungsfähige und nachhaltige Eisen-Luft-Batterien der nächsten Generation entwickelt werden, deren Hauptkomponenten durch moderne Fertigungsverfahren, Kohlendioxidabtrennung sowie edelmetallfreie Katalysatoren einem neuen Leistungslevel entsprechen.
FÖRDERHINWEIS
Das Projekt »Entwicklung eines Eisen‐Luft‐Batteriestacks als stationärer Energiespeicher für die Photovoltaik (ELUSTAT)« wird vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.