»Wir wollen die Energie auf grün umstellen«
Im thüringischen Bad Langensalza entsteht dank cross-industrieller Symbiose ein einzigartiger Technologiestandort: Grüner Wasserstoff soll für regionale Bedarfe bereitgestellt sowie in lokale Energie- und Produktionssysteme eingebunden werden. Hinter diesem Projekt steht die Loick AG mit ihrem Fokus auf Nutzung und Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen – wissenschaftlich begleitet vom Fraunhofer UMSICHT. Was diese erfolgreiche Zusammenarbeit auszeichnet, verraten Hubert Loick und Dr.-Ing. Sebastian Stießel im Interview.
Zum Einstieg in Kürze: Was passiert in Bad Langensalza?
Hubert Loick: In Bad Langensalza entsteht ein nachhaltiges KMU-Reallabor mit unterschiedlichen Wasserstoffanwendungen. Über eine Photovoltaikanlage und nicht mehr durch das EEG geförderte Bestandswindkraftanlagen stellen wir momentan grünen Strom für örtliche Gewerbe- und Industriebetriebe bereit. In einem nächsten Schritt wird dieser Strom via Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt, gespeichert und ebenfalls für regionale Bedarfe zur Verfügung gestellt.
Sebastian Stießel: Bei der Frage, wo dieser grüne Wasserstoff zum Einsatz kommt, sind wir offen. Momentan stehen wir mit ganz unterschiedlichen Unternehmen im Austausch, die an H2 interessiert sind – von einer Busgesellschaft, die ihre Fahrzeuge mit Wasserstoff antreiben möchte, bis zu energieintensiven Unternehmen aus der Automobilzulieferung. Auch die Idee, H2-Tankstellen in Bad Langensalza und Eisenach einzurichten, steht im Raum. Diese Offenheit ist übrigens auch einer der Unique Selling Points von Bad Langensalza: Mit jedem Gespräch zeichnen sich neue Synergien ab, und auf diese Weise entsteht Stück für Stück eine einzigartige, cross-industrielle Symbiose.
Welche Motivation steckt dahinter?
Hubert Loick: Es geht uns definitiv nicht darum, reich zu werden. Ganz im Gegenteil. Wir wollen die Energie auf grün umstellen. Das ist unsere Triebkraft. Gleichzeitig war von Anfang an klar, dass das Ganze natürlich wirtschaftlich sein und sich zum Leuchtturmprojekt entwickeln soll. Letzteres ist uns auf jeden Fall gelungen: Bad Langensalza ist als Wasserstoffregion ausgewiesen worden und hat Eingang in die »Thüringer Landesstrategie Wasserstoff« erhalten. Dadurch ist ein großer Kreis auf uns aufmerksam geworden – sowohl in Thüringen als auch bundesweit.
Sebastian Stießel: Der Punkt ist einfach, dass unser Leben immer energieintensiver wird. Ob Smartphone, Laptop oder Elektroauto: Wir brauchen immer mehr Strom. Bislang wurde der aus endlichen Rohstoffen wie Kohle, Gas oder Erdöl gewonnen – meist verbunden mit schädlichen CO2-Emissionen. In Zukunft werden wir uns auf Energie aus Sonne, Wind und Wasser konzentrieren. Und da kommt der Wasserstoff als langfristiger und großer Energiespeicher ins Spiel.
Für mich steckt aber auch noch eine persönliche Motivation hinter Bad Langensalza. Mich hat vor allem der regionale Fokus gereizt. Das heißt, ich mache nicht nur Berechnungen und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, sondern bin auch in Entscheidungsfindungen eingebunden. Das war bei den überregionalen Projekten, an denen ich bislang beim Fraunhofer UMSICHT beteiligt war, nicht immer der Fall. Dort wurden Entscheidungen zwar auf Basis meiner wissenschaftlichen Arbeit, aber auf einer höheren Ebene getroffen. In Bad Langensalza stehen wir im täglichen Austausch mit den lokalen Akteur*innen und möchten deren Interessen bestmöglich in die weitere Projektentwicklung einbinden.
Wie genau sieht denn die Zusammenarbeit zwischen Loick AG und Fraunhofer UMSICHT in Bad Langensalza aus?
Hubert Loick: Dafür muss man zunächst wissen, dass wir nicht forschen, sondern ganz klar ein Umsetzungsprojekt realisieren. Das Konzept haben wir gemeinsam entwickelt – Sebastian hat einen Großteil seiner Doktorarbeit dazu geschrieben. Es folgten Machbarkeitsstudie, Förderanträge, Gespräche mit Kommunalpolitik und Unternehmen… Sebastians Part besteht vor allem darin, Regularien zu finden, zu verstehen und zu übersetzen. Darüber hinaus macht er alle Kalkulationen und stellt die Anträge. Zudem schaut er von oben auf das Ganze: Wo gibt es weitere Anknüpfungspunkte für Synergien? Welche Unternehmen sitzen in der Nähe? Gibt es vielleicht Klär- oder Biogasanlagen, die eingebunden werden können?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ohne das Fraunhofer UMSICHT hätte ich das Projekt nicht gemacht, während das Institut ohne uns sicherlich einen Haufen Erfahrungen nicht hätte sammeln können. Die Kooperation ist sowohl eine Bereicherung als auch eine Top-Symbiose. Jetzt müssen wir schauen, was wir daraus machen…
Wo nahm das Projekt seinen Anfang?
Hubert Loick: Eigentlich ganz spontan in einer Plauderrunde zwischen Thorsten Wack und mir. Wir waren 2017 wegen eines anderen gemeinsamen Projektes in Österreich und haben am Rande diskutiert: Was kommt auf uns zu, wenn das EEG wegfällt? Wie geht die ganze CO2-Diskussion weiter? Und müssten wir nicht eigentlich Themenfelder zur Umwandlung von grünem Strom in Wasserstoff besetzen? Dabei sind wir zu dem Schluss gekommen: Das ist definitiv was für das Fraunhofer UMSICHT, und ich habe einen Standort, an dem sich ein entsprechendes Projekt umsetzen ließe. Die Loick AG ist nämlich schon seit vielen Jahren in Bad Langensalza und dort sehr gut vernetzt.
Wie ging es nach diesem Gespräch weiter? Was waren wichtige Meilensteine auf dem Weg von 2017 bis heute?
Hubert Loick: Am Anfang stand ein Gespräch mit dem damaligen – sehr innovativen – Bürgermeister Bernhard Schönau, der das Projekt großartig fand und gerne unterstützt hat. Innerhalb von acht Wochen gab es dann einen entsprechenden Ratsbeschluss, und wir durften eine 15 Hektar große Fläche kaufen, auf der inzwischen die Photovoltaikanlagen stehen. Und dann haben wir Sebastian noch dazu geholt…
Es folgten ganz viele Gespräche mit interessierten Akteuren vor Ort – von Unternehmen wie Borbet und GKN, die viel Strom, Wärme und Wasserstoff brauchen, bis zu Stadtwerken. Wir haben das Projekt auch auf der Hannover Messe vorgestellt und dort zahlreiche weitere Anfragen bekommen. Dann folgten Machbarkeitsstudie und Förderanträge.
Natürlich mussten wir auch einige Hürden nehmen. Vor allem die Kommunalpolitik hat uns Steine in den Weg gelegt. Oder wir hatten es mit Unternehmen zu tun, die zwar Interesse gezeigt haben, sich aber nicht kommitten wollten. Das hieß dann also immer: Weitere potenzielle Partner und H2-Anwendungsmöglichkeiten suchen, weitere Gespräche führen…
Das klingt nach sehr vielen Baustellen. Wie behält man da den Überblick?
Sebastian Stießel: Man liest ja immer von agilem Projektmanagement. Und genau das machen wir. Immer wieder passieren Dinge, die wir nicht erwartet haben, oder es tun sich durch Zufall ganz neue Optionen auf, mit denen nicht zu rechnen war. Da sind Weitblick und die Bereitschaft gefragt, innerhalb kurzer Zeit einen Plan B zu entwickeln…
Hubert Loick: Tatsächlich haben wir inzwischen auch einen Ordner mit den Namen der Personen angelegt, mit denen wir bereits gesprochen haben. Denn nach so vielen Jahren und so vielen Gesprächen ist das einfach nicht mehr präsent.
Gibt es Learnings, die Sie seit 2017 mitgenommen haben?
Hubert Loick: Jede Menge. Im Grunde könnten wir ein Buch schreiben, welche Standorte sich für ähnlich gelagerte Projekte eignen würden und wie dabei vorzugehen ist. Wichtig ist auf jeden Fall, mit Zahlen, Sachargumenten und Gesetzgebungen zu überzeugen. Dann muss man einfach Fakten schaffen. Beispielsweise eine Machbarkeitsstudie durchführen, statt nur darüber zu sprechen. Man muss gut vernetzt und in der Lage sein, sowohl Synergien effektiv zu nutzen als auch Vertrauen zu generieren. Und last but not least: Man muss immer im Einsatz und bereit sein, spontan auf neue Gegebenheiten zu reagieren.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Hubert Loick: Aktuell warten wir für auf Rückmeldung zu einem Antrag, den wir beim Projektträger Jülich gestellt haben. Da geht es um die Elektrolyseure und die Speicher, die wir als nächstes bauen wollen. Und natürlich steht nach wie vor unser Angebot: Wer seinen Elektrolyseur oder seine Energiespeicher auf dem Gelände in Bad Langensalza testen möchte, kann gerne auf uns zukommen.