Veranstaltungsrückblick

Zwischen Binnenschifffahrt, Elektrolyse und Mobilität: »Energie im Wandel« lieferte Einblicke in Wasserstoff-Projekte

Nachbericht /

Das Thema Wasserstoff bewegt Nordrhein-Westfalen. Das stellte Dr.-Ing. Esther Stahl bei der Tagung »Energie im Wandel« unter Beweis. Die Wissenschaftlerin des Fraunhofer UMSICHT gab einen Überblick über mehr als 20 in NRW angesiedelte H2-Netzwerke und -Initiativen und stellte – gemeinsam mit Judith Pähr von MAN Energy Solutions SE – eine dieser Initiativen aus Oberhausen vor. Welche Schwerpunkte und Zielsetzungen weitere NRW-Wasserstoff-Projekte verfolgen, stand im Fokus der insgesamt sechs Vorträge der Veranstaltung. Sie wurde übrigens zum vierten Mal vom Cluster Energieforschung der EnergieAgentur.NRW und vom Fraunhofer UMSICHT organisiert und fand 2021 zum ersten Mal virtuell statt.

»Energie im Wandel« Session 1.1
Graphic Recording: Ein Blick auf Session 1.1.
»Energie im Wandel« Session 1.2
Graphic Recording: Ein Blick auf Session 1.2.
»Energie im Wandel« Session 2
Graphic Recording: Ein Blick auf Session 2.

Wasserstoff in der Binnenschifffahrt

Anmoderiert von Prof. Christian Doetsch, Bereichsleiter Energie am Fraunhofer UMSICHT, standen die ersten beiden Vorträge im Zeichen der Binnenschifffahrt. Patrick Krieger von der EE Energy Engineers GmbH stellte das Projekt »Rhine Hydrogen Integration Network of Excellence« vor – kurz RH2INE. Die Idee dahinter: einen klimaneutralen Transportkorridor »Rhein-Alpen« zu erreichen und den Einsatz von Wasserstoff im Güterverkehr voranzutreiben. Dazu wird der Aufbau von Wasserstoff-Infrastruktur in den Häfen Rotterdam, Duisburg, Neuss/Düsseldorf und Köln untersucht – und zwar in den Arbeitsgruppen Schiffe, Schiene und Infrastruktur. Am Anfang stand dabei eine sogenannte »Kickstart Studie«, bei der u.a. regulatorische Anforderungen und Lücken identifiziert sowie ein Szenariorahmen für mögliche Betankungstechnologien erstellt wurden.

Der Binnenhafen Duisburg steht auch im Zentrum des Projektes enerPort – vorgestellt von Alexander Garbar von der Duisburger Hafen AG und Dr.-Ing. Anna Grevé, Leiterin der Abteilung »Elektrochemische Energiespeicher« am Fraunhofer UMSICHT. »Wir befassen uns mit der Frage, wie Binnenhäfen bei energetischen Transformationsprozessen unterstützt werden können«, fasste die Wissenschaftlerin die Ausrichtung der Forschungsaktivitäten zusammen. »Dabei betrachten wir den Hafen als Quartier, verknüpfen alle Stakeholder und achten gleichzeitig auf die Übertragbarkeit unserer Konzepte auf andere Binnenhäfen.«

Während im ersten Teil des Projektes ein Konzept erarbeitet wurde, das Energie, Logistik, Schifffahrt, Produktion, Gewerbe und Wohnen verknüpft, geht es im Anschlussvorhaben um die konkrete Umsetzung. »Auf der Kohleinsel des Hafens entsteht –– Europas größtes Containerterminal«, erklärte Alexander Garbar. »Dort soll ein, auf Basis der in enerPort erarbeiteten Grundlagen, nachhaltiges Energiesystem installiert werden, das als smartes Microgrid ausgeführt ist und erneuerbare Energien, Energiespeicher und Verbraucher sowohl koppelt als auch optimiert steuert und darüber hinaus angrenzende Quartiere versorgen kann.«

Elektrolyseure grün produzieren

Die Versorgung mit grünem Wasserstoff erschwinglich zu gestalten – dieses Ziel hat sich die Enapter GmbH gesetzt. »Wir standardisieren Elektrolyseure, um sie zukünftig als Massenprodukt herstellen zu können«, so Jerrit Hilgedieck in seinem Vortrag. »Aktuell stellen wir in einer Manufaktur in Pisa 100 Module pro Monat her, aber bis Ende 2022 wollen wir weitere Produktionsanlagen in Saerbeck in Betrieb nehmen. Dort sollen pro Monat 10000 AEM Elektrolyseure hergestellt werden.«

Das Besondere: Nicht nur der Wasserstoff, auch die Elektrolyseure selbst sollen grün produziert werden. Deshalb hat das Unternehmen das Projekt »Life Cycle Impact Zero« gestartet. »Unsere Energie werden wir komplett aus lokalen, erneuerbaren Quellen beziehen – zum Beispiel einer Photovoltaik-Anlage, die ebenfalls auf unserem Gelände im Münsterland entstehen soll«, erläuterte Jerrit Hilgedieck den holistischen Ansatz. Auch die Produktion soll den kleinstmöglichen CO2-Fußabdruck hinterlassen. Deshalb stellt sich Enapter im Rahmen des Projektes u.a. folgende Fragen: Wie nachhaltig können wir unsere Bauteile produzieren? Wie sehr belasten wir das Wasser? Und welches Essen stellen wir in der Mensa bereit?

Wasserstofftechnologien in die Anwendung bringen

Die Frage, was die Initiative »Campus for Hydrogen Technologies Oberhausen HydrOB« erreichen möchte, beantworteten Judith Pähr von MAN Energy Solutions SE und Esther Stahl in ihrem gemeinsamen Vortrag: Partner aus Industrie, Forschung und Kommune verknüpfen ihr Know-how und ihre Kompetenzen, um die Umsetzung einer Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. »Gemeinsam wollen wir Wasserstofftechnologien in die Anwendung bringen und haben dabei Demonstration & Entwicklung, Bewertung & Monitoring, Öffentlichkeit, lokale Unternehmen und lokale Klimaeffekte im Blick«, so Judith Pähr. Die nächsten Schritte der Initiative: Entwicklung neuer Demonstrationsvorhaben und die Konzeptentwicklung für ein Kompetenzzentrum in Oberhausen, das u.a. eine Wasserstoffinfrastruktur sowie Räumlichkeiten für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten bereitstellt. Unternehmen und Organisationen, die sich daran beteiligen wollen, sind herzlich zur Mitarbeit eingeladen, betonten die Referentinnen.

Wasserstoff in der Mobilität

Aus der Perspektive eines Stadtwerks beleuchtete Andreas Meyer von der WSW mobil GmbH das Thema Wasserstoff. »Durch die Klimaschutzziele haben sich unterschiedliche Anforderungen an die Wuppertaler Stadtwerke ergeben – mit Blick sowohl auf die Energie- als auch die Verkehrswirtschaft. Gleichzeitig kam die Erkenntnis, dass sich durch die Verbindung von Systemen ein Zusatznutzen generieren lässt bzw. sich neue Optionen für integrierte Geschäftsmodelle auftun. Dazu gehört z.B. Power-to-Mobility.«

In der Konsequenz wurde ein Projekt zur E-Mobilität durch H2-Technologien umgesetzt, wobei der Wasserstoff im Konzern selbst produziert wurde – und zwar über Strom aus dem eigenen Müllheizkraftwerk. Dieser wurde über Elektrolyseure in Wasserstoff umgewandelt und für Brennstoffzellenbusse genutzt. »Sinnvoll lassen sich mindestens 10 solcher Busse betreiben, weitere sind möglich«, sagte Andreas Meyer.

Power-to-X: Erneuerbaren Strom in andere Sektoren überführen

Zum Abschluss der Veranstaltung stellte Prof. Rüdiger-A. Eichel vom Institut für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich das Kopernikus-Projekt P2X vor. Im Fokus: die Entwicklung von Technologien und Prozessen, um erneuerbare Energien umzuwandeln und zu speichern. »Dabei geht es uns neben der Produktion von grünem Wasserstoff auch um die Defossilisierung anderer Sektoren«, erklärte der Wissenschaftler. Ein Beispiel: die Frage, wie sich unvermeidbares CO2 – z.B. aus der Zementindustrie – in Ausgangsstoffe für die Chemie umwandeln lässt.

Damit es gelingt, auf der einen Seite Strom aus erneuerbaren Energien für eine klimaneutrale Industrie zu nutzen und auf der anderen Seite CO2 als erneuerbaren Rohstoff in der chemischen Industrie zu verwerten, müssen allerdings zwei Faktoren erfüllt sein: Wertschöpfung und Wertschätzung. »Diese Power-to-X-Modelle brauchen selbstverständlich einen Business Case«, so Prof. Eichel. »Gleichzeitig müssen sie akzeptiert werden – sowohl von der Industrie als auch den potenziellen Kund*innen.«

Ob diese Situation in zwei Jahren erreicht sein wird? Vielleicht ein Thema, das bei der Tagung »Energie im Wandel« 2023 zur Diskussion steht. Dann hoffentlich wieder vor Ort am Fraunhofer UMSICHT in Oberhausen.