»Beim chemischen Recycling trennen wir den anorganischen Anteil von den Kunststoffen«
Wie können auch stark verunreinigte oder problematische Kunststoffe im Kreis geführt werden? Mit dieser Frage befassen sich Wissenschaftler*innen des Fraunhofer Cluster Circular Plastics Economy CCPE. Im Fokus ihrer Forschung: Materialien wie CFK und GFK, aus denen zum Beispiel Windräder und Rotorblätter hergestellt werden, aber auch Duroplaste, Harze und Rückstände aus der Aufbereitung von Elektronikschrott (Leiterplatten) und Altfahrzeugen (Bremsbeläge oder Luftfilter) oder Sortierreste. Warum diese Stoffströme schwer zu recyceln sind und welche Optionen die Pyrolyse für eine Wiederverwertung bietet, erklärt Dr. Alexander Hofmann vom Fraunhofer UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg im Interview.
Warum sind Materialien wie CFK, GFK, Duroplast oder Harz so schwer zu recyceln?
Alexander Hofmann: Je nach Stoffstrom ergeben sich da andere Problematiken. GFK und CFK sind beispielsweise faserverstärkte Kunststoffe. Um sie wiederverwerten zu können, müssen diese Fasern erstmal von den Kunststoffen abgetrennt werden. Über mechanische Verfahren ist das ziemlich schwierig. Materialien aus Duroplasten oder Harzen dagegen sind nicht wiederverwertbar, sobald sie eingeschmolzen sind. Die Herausforderung besteht also darin, die Materialen aufzutrennen, um einzelne Bestandteile wiederzuverwenden.
Was passiert bisher, wenn Rotorblätter, Bremsbeläge & Co. ausgedient haben?
Alexander Hofmann: GFK-Material landet in der Regel in der Müllverbrennungsanlage. Manche Zementwerke nutzen den Kunststoffgehalt als Energiequelle sowie den Glas- bzw. Faseranteil als Füllstoff für den Zement selbst. Dieses Downcycling ist natürlich keine optimale Verwertung.
Bei CFK ist die Lage noch problematischer. Einige Fasern stehen im Verdacht, krebserregend zu sein, und dürfen deshalb unter keinen Umständen in die Umwelt gelangen. Zementwerke nehmen das Material also teilweise nicht an, und auch Müllverbrennungsanlagen stehen vor einem Problem: Die enthaltenen Kohlefasern können nämlich Kurzschlüsse in der Rauchgasreinigung auslösen. Im schlimmsten Fall bleibt also die Entsorgung auf einer Deponie.
Lässt sich beziffern, wie viel dieser verunreinigten oder problematischen Kunststoffe im Jahr in Deutschland entsorgt werden müssen?
Alexander Hofmann: Dazu habe ich leider keine genauen Zahlen. Aber das Produktionsvolumen von GFK und CFK liegt deutschlandweit bei etwa 250.000 Tonnen im Jahr. Europaweit sprechen wir von ca. einer Million Tonnen im Jahr. Und dieses Material muss früher oder später entsorgt werden.
Sie haben gesagt, die Herausforderung liegt darin, diese Kunststoffe aufzutrennen, um einzelne Bestandteile wiederverwerten zu können. Wie kann das gelingen?
Alexander Hofmann: Das gelingt zum Beispiel über chemisches Recycling – einer unserer Forschungsschwerpunkte im Rahmen von CCPE. Dabei trennen wir den anorganischen Anteil von den Kunststoffen, indem die Kunststoffe in ihre einzelnen Bestandteile – der Fachausdruck lautet Depolymerisation – zerlegt werden, und stellen daraus wieder Kunststoffe in Neuware-Qualität her.
Wie kann ich mir das praktisch vorstellen?
Alexander Hofmann: Ein Kunststoff besteht aus einer langen Kette von Grundbausteinen, Monomere. Damit gehen wir in die Pyrolyse. Sprich: Wir bringen das Material unter Sauerstoffausschluss auf ca. 650 Grad. Unter diesen Bedingungen verbrennt es nicht zu CO2, sondern spaltet sich in immer kleiner werdende Bausteine auf. Und diese Bausteine können wir als Chemikalien zurückgewinnen und mit ihnen wieder eine Polymerisation starten.
Ist dieses Verfahren schon so weit, dass man es als Unternehmen anwenden kann?
Alexander Hofmann: Das hängt ganz von dem Ausgangsmaterial ab. Wenn wir einen Stoffstrom mit Polystyrol oder Leichtverpackungsmaterial aus PE und PP nehmen würden, lässt sich das Verfahren industriell durchführen und am Ende würde ein Material stehen, das sich nutzen lässt. Wenn wir aber an Stoffströme wie GFK, CFK oder auch Elektronikschrott denken, wird es komplizierter. Dort sind Rückstände wie Metalle oder auch PVC-Verunreinigungen enthalten, durch die Schadstoffe in die Pyrolyse-Produkte – zum Beispiel Pyrolyseöl – gelangen können. Da muss man schauen, dass man die Grenzwerte einhält. Das heißt: Wenn man auch diesen Stoffstrom industriell verwerten möchte, müssen die Schadstoffe aus dem Öl entfernt werden.
Und genau an dieser Stelle setzt unsere aktuelle Forschung an: Wir suchen nach einem Weg, den Anteil der Schadstoffe in den Pyrolyse-Produkten zu verringern – zum Beispiel, indem wir verhindern, dass sie überhaupt hineingelangen, oder indem wir sie aus dem Öl entfernen. So führen wir beispielsweise Destillationen durch, um Fraktionen herzustellen, die weniger verunreinigt sind. Darüber hinaus arbeiten wir an einer Art Pyrolyseöl-Nachbehandlung. Dabei führen wir verschiedene Prozesse durch, um Verunreinigungen zu entfernen.
Bis wann werden diese Lösungen marktreif sein? Und für welche Branchen sind sie interessant?
Alexander Hofmann: Ein genauer Zeitplan lässt sich in der Forschung nie erstellen. Aber ich rechne damit, dass die Pyrolyse generell in den nächsten zehn Jahren im Markt etabliert ist. Und dann möchten wir auch mit unseren Lösungen am Start sein.
Interessant ist die Pyrolyse vor allem für die Chemieindustrie. Dort nutzen viele Unternehmen Pyrolyseöl bereits als Substitut für Rohöl. Das funktioniert über sogenannte Steamcracker. In ihnen wird das Rohöl weiterverarbeitet und zerkleinert, um daraus Kunststoff oder Chemikalien herzustellen. Diesem Öl mischen die Unternehmen das Pyrolyseöl bei. Durch die Mischung sind Verunreinigungen oder Unterschiede zwischen Roh- und Pyrolyseöl vernachlässigbar, und über Energie und Massebilanzen lässt sich ein Recyclinganteil im neuen Material errechnen.