Symposium
»ÖPNV – Mobilität für Jung und Alt« – Gestaltungskonzepte für Produkte und Dienstleistungen im öffentlichen Personenverkehr
Was haben die Metro C30 in Stockholm, Produktentwicklung bei der Deutschen Bahn und der ÖPNV in Essen gemeinsam? Sie alle waren Thema beim Symposium »ÖPNV – Mobilität für Jung und Alt«. Neben spannenden Vorträgen zur nutzerzentrierten Gestaltung rund um den ÖPNV standen auch Projekte der Studierenden des Studiengangs Industrial Design der Folkwang Universität der Künste im Fokus. Begleitet vom Fraunhofer UMSICHT und dem Designbüro MMID im Rahmen des Projekts +SeniorDesignLab wurden im Wintersemester 2018/19 Gestaltungskonzepte für Dienstleistungen und Produkte im öffentlichen Personenverkehr entworfen und visualisiert. Die innovativen und kreativen Ideen wurden in Kurzvorträgen vorgestellt und mithilfe von Designmodellen in einer großen Ausstellung präsentiert. Das Symposium fand am 27. März im Sanaa-Gebäude auf Zeche Zollverein in Essen statt.
Der demografische Wandel in Deutschland erfordert ein Umdenken. Hierzu forscht das +SeniorDesignLab und initiierte gemeinsam mit der Folkwang Universität der Künste ein studentisches Semesterprojekt. Die Studierenden des Bereichs Industrial Design haben Lösungsideen für zentrale Bedarfe entwickelt, die im Rahmen des Symposiums »ÖPNV – Mobilität für Jung und Alt« präsentiert wurden. Ende März kamen Studierende und Teilnehmende aus Industrie, Design und Forschung in Essen zusammen, um über neuartige Mobilitäts- und Gestaltungskonzepte zu diskutieren, die eine weitgehend uneingeschränkte Mobilität im ÖPNV für Jung und Alt ermöglichen und das gemeinsame Erlebnis in Bus und Bahn angenehmer gestalten.
Gestaltung von Mobilitätskonzepten in der Praxis
Interessante Vorträge gaben einen Einblick in die Welt des Personenverkehrs – von der psychologischen Perspektive zu den Hintergründen und Ansprüchen junger und älterer Fahrgäste durch Prof. Stefan Diestel, Bergische Universität Wuppertal, bis hin zu Praxisbeispielen fahrgastorientierter Gestaltung bei Verkehrsbetrieben und Schienenfahrzeugherstellern. Julian Fordon, Senior Product Designer beim d.lab, dem Innovationslabor der Deutschen Bahn, zeigte anhand des Projekts »Ideenzug« eindrücklich, wie mit Methoden zur Nutzerbeteiligung und mit Hilfe des Design Thinkings eine fahrgastorientierte Produktentwicklung und Dienstleistungsgestaltung entstehen kann. Michael Sohn, Head of CoE Industrial Design, Fellow Expert Bombardier Transportation, lieferte einen Blick hinter die Kulissen des außergewöhnlichen Designs der Bombardier-U-Bahn-Züge in Stockholm. Gestalterische Herausforderungen waren hierbei vor allem die Inklusion aller Fahrgäste mit allen Ansprüchen an Sicherheit und Komfort und die besonderen Erwartungen an regional angepasste Lösungen durch den Auftraggeber. Das Designteam von Bombardier begegnete den Ansprüchen durch unermüdliche Erzeugung von Lösungsvarianten und Selbsttests.
Die Vortragende Ute Jansen veranschaulichte anhand der Kundenerlebniskette der Ruhrbahn die Herausforderungen beim Umbau einer barrierefreien Infrastruktur. Sie gab einen Einblick in aktuelle und eine Vorschau auf zukünftige multimodale Mobilitätsangebote für Essen und Mülheim.
Dass der visuellen Gestaltung im öffentlichen Raum mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, verdeutlichte der Designer Jan Jacob Borstlap. Was sowohl für komplexe Leitsysteme von Theatern und der Kommunikationsgestaltung von Ausstellungen gilt, wird vor allem für Orientierungssysteme im öffentlichen Personenverkehr relevant: Sichtbarkeit, Lesbarkeit und Eindeutigkeit entscheiden maßgeblich über ein erfolgreiches und zufriedenstellendes Navigationserlebnis.
»Die enorme Wichtigkeit, Nutzerbedürfnisse in jeglichen Bereichen des ÖPNVs sprechen zu lassen, wurde heute sehr deutlich. Gleichzeitig haben wir verschiedene Methoden und den damit einhergehenden praktischen Aufwand kennengelernt, um Nutzerbedürfnisse zu erheben und in der Gestaltung umzusetzen. Diese Herausforderungen merken wir auch in unserer Arbeit im +SeniorDesignLab: Man kann Nutzende beobachten, man kann sie befragen, oder man kann möglichst kreativ gemeinsam mit ihnen Ideen für bessere Produkte erarbeiten. Um sagen zu können, ob letztere Möglichkeit zielorientiert und innovationsstiftend funktioniert, werden wir bis Ende 2019 noch einige Design Thinking Workshops mit Designerinnen und Designern und mit mobilitätsinteressierten Menschen ab 50 durchführen«, sagt Sabrina Schreiner, Projektleiterin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement beim Fraunhofer UMSICHT.
Zukünftige Verkehrssysteme für Jung und Alt
Nach den Vorträgen stellten die Studierenden ihre Ideen vor. Die Gestaltungskonzepte beschäftigten sich mit dem Interieur von Bussen und Bahnen (Hygiene, multifunktionale Sitze, Haltestangen und Gepäckverstauung), der Orientierung im ÖPNV (Fahrtrichtung und korrekte Verbindungen) und der Gestaltung von öffentlichen Räumen und Wartebereichen (Überwindung von Hindernissen zu Fuß und Haltestellen). »Die Lösungsansätze, die von den Studierenden präsentiert wurden, waren wesentlich freier und konnten losgelöst von eventuellen Umsetzungshürden gestaltet werden. Durch ihre unkonventionelle Problembearbeitung haben sie viele neue Denkrichtungen vorgegeben«, so Sabrina Großkopp Abteilung Nachhaltigkeits- und Ressourcenmanagement beim Fraunhofer UMSICHT, die das Symposium federführend organisiert hat.
Am Ende der Veranstaltung wählten die Symposium-Teilnehmenden ihre Lieblingsarbeit. Den ersten Platz des Publikumspreises belegte das Projekt »Droplets« von Valentin Lude – eine variable Steh-Sitzgelegenheit für öffentliche Verkehrsmittel mit höhenverstellbaren Sitzflächen. Das Ziel: Stehsitzen für Personen mit unterschiedlichen Körpergrößen.
+SeniorDesignLab
Die Ergebnisse der Veranstaltung fließen mit in das Projekt +SeniorDesignLab ein. In dem Projekt geht es um die Bedürfnisse der alternden Gesellschaft in Deutschland und die Entwicklung neuer Produktideen in CoCreation-Prozessen auf Basis von Design Thinking.
FÖRDERHINWEIS
Das Projekt +SeniorDesignLab wird bis Feburar 2020 aus Mitteln des europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.