Die Veranstaltung stand unter dem Titel »Every day for future: Wie sich Forschung für den Klimaschutz engagiert«. Deshalb warf Prof. Görge Deerberg zum Start der Reise zunächst einen Blick auf wichtige Ereignisse der vergangenen Jahre. Der stellvertretende Institutsleiter des Fraunhofer UMSICHT und einer von drei Carbon2Chem®-Koordinatoren ließ Greta Thunbergs »How dare you«-Rede ebenso Revue passieren wie den Green Deal der EU und die Empfehlungen des Bürgerrats Klima, um dann klar zu machen: »Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen, müssen wir jetzt mit den vorhandenen Technologien handeln, um CO2-Emissionen zu verringern, und gleichzeitig bessere Technologien entwickeln.«
Wie Carbon2Chem® zur Einhaltung der Klimaziele beiträgt
Solche bereits vorhandenen Technologien kommen zum Beispiel im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt Carbon2Chem® zum Einsatz. Koordiniert von der thyssenkrupp Carbon2Chem GmbH, dem MPI-CEC und dem Fraunhofer UMSICHT bringt es Industrie und Wissenschaft mit einem konkreten Ziel zusammen: das in der Stahlproduktion freigesetzte Hüttengas in Rohstoffe für die chemische Industrie umzuwandeln. Görge Deerberg stellte die verschiedenen Entwicklungsschritte des Projektes vor. Momentan befinde man sich in Phase 2 und sei dabei, im Labormaßstab erarbeitete Konzepte zur Umwandlung der Hüttengase – zum Beispiel in Methanol – für die großtechnische Umsetzung sowohl in der Stahl- als auch in anderen Industrien vorzubereiten. »Gelingt uns das, dann kann Carbon2Chem® einen großen Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele leisten«, schloss er seine Keynote.
Wie die konkrete Arbeit im Forschungsprojekt aussieht, zeigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des MPI-CEC und des Fraunhofer UMSICHT in sich anschließenden Vorträgen und Filmbeiträgen:
- Thorsten Wack stellte die Strukturen des Großprojektes und die Verzahnung der einzelnen Arbeitspakte vor.
- Dr. Julian Schittkowski und Dr. Oliver Hegen gewährten Einblicke in die Analytik.
- Dr. Barbara Zeidler-Fandrich ging der Frage nach, wie sich das Gas aus dem Stahlwerk nutzen lässt.
- Songyoun (Sanja) Suh erklärte die thermokatalytische Anlage.
- Was ist ein Katalysator und warum ist er so wichtig bei der Nutzung von Kohlendioxid als Rohstoff, lauteten die Fragen, denen Dr. Heiko Lohmann nachging.
- Die Testung von Katalysatoren stand im Fokus des Beitrags von Dr. Thomas Wiesmann.
- Dr. Andreas Menne erläuterte die Rolle von Methanol als Energieträger der Zukunft.
- Tim Schulzke präsentierte die Methanolanlage auf dem UMSICHT-Gelände in Oberhausen.
Wie die Gesellschaft Forschungsaktivitäten zum Klimaschutz wahrnimmt
Doch wie werden diese Aktivitäten von der Gesellschaft wahrgenommen? Eine Antwort auf diese Frage lieferte Prof. Harald Welzer in seinem abschließenden Impulsvortrag – und sie fiel leider nicht positiv aus. Der Klimawandel sei zwar in den Medien ein dominantes Thema, sagte er, aber die Welt habe an diesem Thema kein Interesse. Als einen Beleg für diese Aussage führte er den 1972 von der VolkswagenStiftung geförderten Bericht »Die Grenzen des Wachstums« an. Statt die seitdem vergangenen drei Jahrzehnte zu nutzen, um Lösungen für das Endlichkeitsproblem zu finden, habe sich die Menschheit in eine Richtung entwickelt, die mit Nachhaltigkeit nichts zu tun habe: Autos seien beispielsweise immer größer und schwerer geworden – ohne dass mehr Personen damit fahren würden. Und auch Güterproduktion, Energieverbrauch und Konsum seien überdurchschnittlich gestiegen.
Das Problem: Es bestehe kein Gebrauchszusammenhang zwischen dem Klimawandel, den sich zu Ende neigenden Ressourcen des Planeten und dem Alltag der Menschen. Fatalistische Botschaften oder Forderungen nach einer Begrenzung der globalen Erderwärmung auf zwei Grad würden schlicht nicht verstanden und deshalb auch nicht beachtet. Man müsse den Menschen einen Nutzen aufzeigen, dann würden sie auch etwas für die Umwelt tun. »In dem Moment, in dem ein optimal funktionierendes, pünktliches, preiswertes und sauberes Verkehrssystem angeboten wird, benutzen es die Menschen. Dass sie dabei auch etwas für die Umwelt tun, ist eine Art Kollateralnutzen.« Der Wurm, fasste er seinen Vortrag in einem bekannten Bild zusammen, muss dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Das müsse sich auch die Forschung vor Augen halten, wenn sie die Grenzen ihrer bisherigen Einflussnahme überschreiten wolle.