Biokunststoff

Forscher eröffnen neue Einsatzgebiete

Pressemitteilung /

Es gibt bereits zahlreiche Bereiche, in denen Biokunststoff als nachhaltiges Alternativmaterial zum Einsatz kommt. Etwa in Verpackungen oder als Mulchfolien. Auf Basis der vor kurzem gestarteten Projekte Bioshoreline und BioFlooring könnten in Zukunft zwei weitere Produkte hinzukommen: Fraunhofer UMSICHT forscht an einem definiert abbaubaren Geotextil für die Verwendung als temporärer Filter in technisch-biologischen Ufersicherungsmaßnahmen an Binnenwasserstraßen und einem biobasierten elastischen Fußbodenbelag.

Weidenspreitlage als naturnahe Ufersicherung am Rhein bei Worms.
© BAW
Weidenspreitlage als naturnahe Ufersicherung am Rhein bei Worms.
Homogener Fußbodenbelag im Objektbereich.
© Gerflor Mipolam GmbH
Homogener Fußbodenbelag im Objektbereich.

Nach Vorgabe der EG-Wasserrahmenrichtlinie sollen ökologische Verbesserungen u. a. im Bereich der Wasserstraßen angestrebt werden. Eine Möglichkeit ist die Anwendung alternativer naturnäherer Ufersicherungen unter Verwendung von Pflanzen (http://ufersicherung.baw.de/de). Die geplanten Geotextilien dienen der Filterstabilität und dem Erosionsschutz während der kritischen Anfangszeit, in der sich die Pflanzen und insbesondere deren Wurzeln erst entwickeln müssen. Das bedeutet, die technischen Eigenschaften des Geotextils müssen mindestens drei Jahre erhalten bleiben, danach soll es sich vollständig abbauen, sodass die Durchgängigkeit im Uferbereich für Lebewesen langfristig nicht eingeschränkt wird. Für diese speziellen Anforderungen gibt es aktuell keine geeigneten Lösungen. Bisher untersuchte Naturfaservliese sind unter Wasserstraßenbedingungen nicht ausreichend stabil und bauen sich zu schnell ab, nicht-abbaubare Kunststoffe erfüllen die technischen Anforderungen, verbleiben aber dauerhaft im Boden.

Definiert biologisch abbaubarer Geotextilfilter

Im Rahmen des von Fraunhofer-UMSICHT koordinierten Verbundprojektes Bioshoreline soll gemeinsam mit den Projektpartnern BNP Brinkmann GmbH & Co. KG, Trevira GmbH, FKuR Kunststoff GmbH und der BAW Bundesanstalt für Wasserbau ein neuartiger sequentiell biologisch abbaubarer Geotextilfilter aus nachwachsenden Rohstoffen entwickelt werden. Das Entwicklerteam will dafür eine Mischung aus verschiedenen Naturfasern und abbaubare Polymerfasern in einem Geotextilfilter zusammenführen und testen. Die schneller abbaubaren Naturfasern sorgen für Durchwurzelungskanäle für die Pflanzen, und die langsamer abbaubaren Polymerfasern gewährleisten die erforderlichen technischen Eigenschaften für mindestens drei Jahre. »Hinsichtlich der Polymere müssen die Verarbeitungseigenschaften und die biologische Abbaubarkeit den Anforderungen angepasst und die Verarbeitungsbedingungen zur Polymerfaserherstellung erarbeitet werden«, erklärt Mona Duhme aus der Abteilung Biobasierte Kunststoffe bei Fraunhofer UMSICHT. Bei der Auswahl der Fasern werden daher neben den unterschiedlichen Zusammensetzungen und damit einhergehenden unterschiedlichen biologischen Abbaugeschwindigkeiten auch die Verarbeitungsbedingungen zu Geotextilien beachtet.

Die Geotextilfilter werden im Laufe des Projekts in der Praxis getestet, sowohl in einem Durchwurzelungsversuch als auch im Freilandversuch. Dabei stehen u. a. die definierte Abbaubarkeit, die Durchwurzelbarkeit und die mechanischen Eigenschaften wie z. B. Festigkeit des Geotextilfilters über mehrere Jahre im Fokus. In dem Freilandversuch wird an einem Wasserstraßenabschnitt eine Uferbefestigung mit dem entwickelten Geotextilfilter installiert. In regelmäßigen Zeitabständen entnehmen die Forscher Proben und bestimmen die Werkstoffeigenschaften. Auf Basis der Daten werden die Geotextilien optimiert.

Elastische Fußbodenbeläge: Ersatz für Weich-PVC

Ein weiteres neues Einsatzgebiet für Biokunststoff soll mit dem Verbundprojekt BioFlooring eröffnet werden. Im Bausektor gewinnen die Nutzung nachwachsender Rohstoffquellen, Fragen zum Gesundheitsrisiko eingesetzter Stoffe, zur Recyclingfähigkeit und zum ökologischen Fußabdruck eines Produkts immer mehr an Bedeutung. Nach heutigem Stand erfolgt die Herstellung homogener, elastischer Fußbodenbeläge überwiegend aus Weich-PVC. »Das Material erfüllt die steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen jedoch nur eingeschränkt bis gar nicht und hat zudem in der Öffentlichkeit ein sehr schlechtes Image«, weiß Stefan Zepnik, Abteilung Biobasierte Kunststoffe Fraunhofer UMSICHT. Verantwortlich sei u. a. der hohe Anteil niedermolekularer Weichmacher. Mit Holzdielen, Parkett oder Linoleum gibt es zwar biobasierte Alternativmaterialien, die jedoch keinen Ersatz für Weich-PVC in elastischen Fußbodenbelägen für großflächige Verlegungen, beispielsweise in Schulen, Büro- oder Verwaltungsgebäuden, darstellen.

Fraunhofer UMSICHT forscht an einem weichmacherfreien, biobasierten, thermoplastischen Vulkanisat (Bio-TPV), welches aus einem Biokunststoff und einer vernetzten, biobasierten Weichkomponente besteht. Dabei wird die Kunststoffmischung  im Extruder hergestellt und simultan während dieser Verarbeitung die Weichkomponente vernetzt. Das so hergestellte Bio-TPV soll langfristig Weich-PVC in homogenen, elastischen Fußbodenbelägen ersetzen.

Der Projektpartner FKuR Kunststoff GmbH übernimmt im Anschluss an die Materialentwicklung bei Fraunhofer UMSICHT das Scale-Up des Bio-TPV in den Industriemaßstab. Ein weiterer Projektpartner, die Gerflor Mipolam GmbH, ist zuständig für die Entwicklung der geeigneten Verfahrenstechnik zur Herstellung eines homogenen, elastischen Fußbodenbelags aus dem neuen Material und die spätere Vermarktung der neuen Fußbodenprodukte.

Biokunststoffforschung von Fraunhofer UMSICHT auf der »K 2016«

Informieren Sie sich über diese aktuellen Entwicklungen und das gesamte Spektrum unserer Biokunststoffforschung bei der Messe »K 2016«. Vom 19. bis 26. Oktober ist Fraunhofer UMSICHT in Düsseldorf auf dem Gemeinschaftsstand des Landes Nordrhein-Westfalen in Halle 6, Stand D76 präsent.

Die Förderung der beiden Vorhaben Bioshoreline (Förderkennzeichen: 22000815) und BioFlooring (Förderkennzeichen: 22003316) erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages.