...Prof. Peter Awakowicz von der Ruhr-Universität Bochum
Interview vom 30.03.2023
Sie sind Teilprojektleiter für die wissenschaftlichen Arbeiten an Ihrem Lehrstuhl im Leitprojekt L-III. Was wurde aus dieser Perspektive betrachtet bislang im Verbundprojekt Carbon2Chem® erreicht?
Peter Awakowicz: Da ich den großen Verbund Carbon2Chem® nicht vollständig überblicken kann, beschränke ich mich auf unser Teilprojekt. In diesem geht es um die Reinigung von Koksofengas im weitesten Sinne, um möglichst reinen Wasserstoff daraus zu extrahieren. Dieses Koksofengas ist in Wirklichkeit ein Gasgemisch aus mehreren Hauptkomponenten, z.B. Wasserstoff, Methan, Stickstoff, aber auch Sauerstoff. Während die Kolleginnen und Kollegen mit der bereits gut eingeführten Druck-Wechselabsorption viele Beimischungen herausfiltern können, um letztlich Wasserstoff in Reinform zu erhalten, geht das mit Sauerstoff nicht so einfach. Dieser würde nämlich im System akkumulieren und letztlich zu gefährlichen Konzentrationen führen. Um den Sauerstoff zu entfernen, verwenden wir ein dielektrisch behindertes Oberflächenplasma (S-DBD), das, in einem Reaktor gezündet, vergleichsweise kalt ist (100 °C), aber hochenergetische Elektronen besitzt, die die Sauerstoffverunreinigung mit Wasserstoff zu Wasser reagieren lassen. Wasser kann nun leicht durch die Druckwechselabsorption entfernt werden. Die Sauerstoffreinigung mit einer S-DBD ist uns im kleinen Maßstab recht schnell gelungen, wohingegen der Schritt in Richtung große Gasflüsse schon herausfordernd war. Während wir mit 10 Liter pro Minute begonnen haben, sind wir in mehreren Schritten mittlerweile bei etwa 100m^3 pro Minute angelangt, das ist ein Faktor von 10 000 in der Hochskalierung. Auch die Langzeittests mit verschiedenen Kohlenwasserstoffen wurde erfolgreich absolviert. Jetzt warten wir auf die vom Fraunhofer UMSICHT geplanten Messungen, die im projekteigenen Technikum durchgeführt werden, um zu sehen, wie es sich mit synthetischem Koksofengas verhält. Das ist sehr spannend!
Was waren Highlights?
Peter Awakowicz: Ein Highlight war und ist sicherlich die hervorragende Kooperation mit unseren beiden anderen RUB-Gruppen, der Experimentalphysik 2 und der Technischen Chemie. Während wir die Physikerkollegen und -kolleginnen schon sehr lange gut kennen, war die Technische Chemie eine echte Neuentdeckung, die sehr nachhaltig zu werden scheint, da wir bereits etliche neue Projekte gemeinsam unternehmen und planen.
Aus technisch-naturwissenschaftlicher Sicht gibt es auch eine Menge toller Ergebnisse. Für mich persönlich war die Entdeckung der Gasdynamik in unseren S-DBD Modulen ein entscheidender Schritt, den ein junger Doktorand aus Zufall, aber auch aus Intuition mit Kollegen aus der Strömungsmechanik gegangen ist, indem er ein Plasmamodul von uns in deren Windkanal gestellt hat und geguckt hat, wie sich die Strömung durch den Reaktor verhält, wenn man das Plasma ein- und wieder ausschaltet. Dann konnte er ein Video aufnehmen, das zeigt, dass das sehr dünne S-DBD Plasma den gesamten Gasraum verwirbelt bzw. durchmischt. Nur so kann man die sehr guten erzielten Konversionsergebnisse verstehen. Diese Erkenntnis hat die ganze anschließende Forschung in den Gruppen rund um die S-DBD in eine weitere, neue Richtung gelenkt hat, die sicher noch sehr fruchtbar sein wird.
Was war die größte Herausforderung?
Peter Awakowicz: Ganz einfach: Wie kommt man von zehn Liter pro Minute zu behandelndes Koksofengas auf z. B. ein Million Liter pro Minute? Das ist eine Dimension, mit der man an der Uni selten zu tun hat. Für diese Situation haben wir nun Lösungen parat, die wir aber mangels Geldes nicht sofort umsetzen können. Schön wäre, dies in einem der nächsten Schritte tun zu können.
Welche nächsten Schritte sind geplant?
Peter Awakowicz: Die Umsetzung der Hochskalierungskonzepte der Reaktorkammer, aber auch der elektrischen Energieversorgung sind nächste Schritte. Weiterhin ist das physikalische Verständnis der Kopplung zwischen der Gasdynamik und der Plasmadynamik ist ein weiter wichtiger Schritt. Wie erzeugt das Plasma die detektierten Wirbel? Wie kann man diese gezielt steuern und gewinnbringend einsetzen? Um nur ein paar Forschungsfragen zu adressieren. Dazu brauchen wir dringend die Kollegen der Plasmasimulation, die glücklicherweise seit einiger Zeit mit dabei sind. Wichtig wird auch die Standzeit der Reaktormodule werden, da wir diese ja nur immer relativ kurz betreiben können. Spannend wird auch sein, ob Ablagerungen entstehen und ob es Strategien gibt, diese wieder zu entfernen. Die Ideen sind da, jetzt müssen diese noch überprüft werden. Es bleibt spannend!